Viele Unternehmen sind sich der in einem Monat startenden Zusatzbelastung noch nicht bewusst
Wien (OTS) – Bis 17. Dezember muss Österreich die Whistleblower-Richtlinie der EU in nationales Recht umsetzen. Ab dann sind Unternehmen mit über 50 Beschäftigten, aber auch Behörden und öffentliche Stellen verpflichtet, für interne Hinweisgeber Plattformen einzurichten, um Missstände aufzuzeigen. Das vom Kommunikationsexperten Rudolf J. Melzer gegründete Internationale Forum für Wirtschaftskommunikation (IFWK) zeigte kürzlich in einer Veranstaltung auf, dass sich ein Großteil der Unternehmen der Zusatzbelastungen durch intern zu implementierende Whistleblower-Systeme noch nicht bewusst ist.
Wie sich die aktuelle Lage in Österreich kurz vor Inkrafttreten der EU-Whistleblower-Richtlinie darstellt, erörterte ein hochkarätiges Panel des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) unter dem Titel „Whistleblower im Spannungsfeld zwischen Gefühl und Gesetz“: Für Ursula Roberts, Leiterin der Praxisgruppe Arbeitsrecht und Immigration bei PwC P&O Legal, ist entscheidend, dass eine Meldung „nicht beim Betriebsrat landet, sondern bei einem unabhängigen Dritten und dass die Anonymität gewährleistet ist. Denn eine Meldung hat weitreichende Folgen sowohl für das Unternehmen als auch für den betreffenden Arbeitnehmer. Diese Richtlinie ist eine Schutzmaßnahme für Personen.“
„Die Whistleblower-Richtlinie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Sie wird viele Vorstände, Geschäftsführer oder Aufsichtsräte zittern lassen und für mehr Disziplin beim Umgang mit Rechtsverstößen sorgen. Wer Compliance nicht ernst nimmt, der wird künftig mehr Probleme bekommen. Das Topmanagement wird gezwungen sein, eine Vertrauenskultur zu etablieren. Sonst gibt’s Troubles. Wer Misstrauen sät, der wird Whistleblower-Anzeigen ernten.“
Ashwien Sankholkar, Wirtschafts-Investigativjournalist des Landes, Chefreporter und Gesellschafter der gemeinnützigen Rechercheplattform DOSSIER
Der erfahrene Top-Manager und Berater Klaus Schmid – er war unter anderem CEO von Capgemini in Österreich sowie von NTT DATA und ist Gründungsmitglied des IFWK – räumte ein, dass die Richtlinie prinzipiell nicht neu ist, viele Unternehmen sich aber des zusätzlichen Aufwandes und der zusätzlichen Kosten noch nicht bewusst sind: „Es muss ein ganz neuer Prozess aufgesetzt werden, der entsprechend dokumentiert und zertifiziert werden muss. Das heißt, es müssen immense Investitionen getätigt werden, die den Wirtschaftsstandort mit zusätzlichen Kosten belasten. Viele Unternehmen gehen auch jetzt sehr sorgsam mit ihrem Personal und ihren Mitarbeitern um und haben etwa entsprechende Werte-Programme. Die Frage ist: Wollen wir mit der Whistleblower-Richtlinie ein Symptom behandeln oder wollen wir auch an der Wurzel beginnen und über Werte diskutieren und darüber, wie man Unternehmen unterstützen kann, dass wieder eine Vertrauenskultur herrscht und man eine Richtlinie in dieser Form gar nicht braucht.“
„Das Problem ist, dass ein systemisches Versagen im Unternehmen selbst das interne Whistleblower-System ad absurdum führt. Das heißt, wenn alle internen Stellen zusammenwirken, ist es natürlich sinnlos.“
Anwalt Wilhelm Milchrahm