Wien (OTS) –
- Bei einem Direktabruf am 17.8.2021 wurde in einzelnen Leistungsbereichen das Drei- bis Vierfache dessen bezahlt, was dem Auftragnehmer zugestanden wäre.
- Kostenerhöhung im Vergleich zur Ausschreibung ist klar „ausschreibungs- und gesetzeswidrig“.
- „Schwerer Verstoß und grobe Schädigung“ – Bildungsministerium (BMBWF) zu € 350.000 Geldbuße verurteilt.
Wien, 3. März 2022 – Nächstes aufsehenerregendes Urteil zu den fragwürdigen Vergaben der Schultests durch das Bildungsministerium im August und September 2021: In seinem am 1. März 2022 schriftlich ergangenen Urteil erklärte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Direktabruf von Schultests durch das Bildungsministerium bei der BIEGE Novogenia als rechtswidrig, da in wesentlichen Bereichen klar von der Vorgaben der eigenen Rahmenvereinbarung abgegangen wurde. Für einzelne Leistungen wurde das Drei- bis Vierfache dessen bezahlt, was dem Auftragnehmer zugestanden wäre. Das BVwG sieht darin einen „schweren Verstoß und eine große Schädigung“. Das Bildungsministerium wurde damit zu einer Geldbuße von € 350.000 verurteilt und muss zudem die gerichtlichen Pauschalgebühren in Höhe von € 10.368 tragen.
Der nach erfolgter Ausschreibung in der Basisrahmenvereinbarung mit BIEGE Novogenia vereinbarte Preis wurde bei einem Direktabruf durch das BMBWF am 17.8.2021, für Schultests an 2.743 Schulen im Burgenland, Kärnten, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg in einzelnen Bereichen um das Drei- bis Vierfache überzahlt. Darüber hinaus wurden Leistungen abgerufen und bezahlt, die von der zu Grunde liegenden Rahmenvereinbarung gar nicht abgedeckt sind. Im Vergleich zur maßgeblichen Rahmenvereinbarung erhielt BIEGE Novogenia damit um insgesamt € 332.287,30 mehr für die Leistung als dort fixiert.
Zur Bemessung des Bußgeldes hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es sich um einen „schweren Verstoß und eine große Schädigung” handle. Überdies sei zu berücksichtigen, „dass der Mitarbeiter des Auftraggebers, welcher den gegenständlichen Direktabruf getätigt hat, als Zeuge angab, dass so wie er das verstehe man die Preise nicht abändern dürfe. Dieses gesetzwidrige Verhalten wurde offenkundig auch von seinem Vorgesetzten geduldet oder begünstigt”.
Lifebrain begrüßt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:
„Einmal mehr bestätigt sich damit unsere Einschätzung, dass die Vergabeverfahren für die Schul-PCR-Tests mehr als fragwürdig und bei weitem nicht korrekt abgelaufen sind. In den Wochen und Monaten nach den Vergaben hat sich zusätzlich gezeigt, dass die Testsysteme in vielen Bundesländern auch von der Logistik und der Analysequalität her nicht funktionieren. Dennoch wurden Preise bezahlt, die weit über den Kosten des Wiener Herzeigesystems „Alles gurgelt!” liegen. Dies wirft ein völlig anderes Licht auf die aktuell so intensiv diskutierte Frage der Kosten für PCR-Tests“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Michael Havel, Geschäftsführer des Lifebrain-Labors.
„Ein derartiges Vergabechaos hätte leicht vermieden werden können, wenn von allem Anfang an Kriterien wie Qualität und Erfahrung eines Labors, vorhandene Qualitätssicherungsmaßnahmen, nachgewiesene Testkapazitäten und vorhandene Maßnahmen zur Versorgungssicherheit bei Testkits und Labormaterialien von der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) und dem BMBWF mit abgefragt und geprüft worden wären. Nur auf diesem Wege lässt sich feststellen, ob ein Labor auch tatsächlich für die gewaltigen Testmengen aus den Schultests entsprechend gerüstet ist, oder ob es sich – wie man aktuell leider an allzuvielen Standorten bitter feststellen muss – primär auf das Vergabeverfahren, aber nicht für dessen Umsetzung vorbereitet hat“, so Michael Havel.
Denn bei der Auswahl von „Bestbietern“ werde in den Vergabeverfahren unzureichend überprüft, ob Bewerber dann auch tatsächlich in der Lage seien, die Aufträge in der geforderten Qualität bzw. der versprochenen Zeitspanne umzusetzen. „Hier braucht es eindeutig ein neues Qualitätsdenken und mehr Expertise für die hochkomplexen Testsysteme bei den vergebenden Stellen“, verlangt Michael Havel.
Eingeleitet wurde der Einspruch gegen das Vergabeverfahren mit einem Feststellungsantrag seitens des Wiener Lifebrain-Labor, zur Prüfung der Vergabe und des erfolgten Direktabfrage vom 17.8.2022. Durchgeführt wurde das Verfahren von einem Team der renommierten Wiener Kanzlei Wolf Theiss Rechtsanwälte, bestehend aus Manfred Essletzbichler, Johann Hwezda und Dominik König.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts finden Sie hier zum Download.