Wien (OTS) – Der Senat 2 des Presserats befasste sich mit dem Beitrag „Bestialisch: Afrikaner vergewaltigt Ukrainerin (55) in Italien auf offener Straße“, erschienen am 23.08.2022 auf „wochenblick.at“. Das darin veröffentlichte Video stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse dar.
Im Beitrag wurde berichtet, dass in Italien eine Überwachungskamera gefilmt habe, wie ein 27-jähriger Illegaler aus Guinea eine 55-jährige Ukrainerin auf offener Straße vergewaltige. Dem Artikel ist das Video beigefügt, auf dem die Vergewaltigung zu sehen ist, zudem sind die Schreie des Opfers zu hören.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats auf eigene Initiative ein Verfahren durch, die Medieninhaberin nahm daran nicht teil.
Der Senat weist zunächst darauf hin, dass die Medien beim Thema „Gewalt gegenüber Frauen“ einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Bewusstseinsbildung leisten können. Allerdings darf das Leid, das die betroffenen Frauen und ihre Angehörigen erfahren, durch die Berichterstattung nicht vergrößert werden, u.a. durch die Bekanntgabe grausamer Details. Die vorliegende Veröffentlichung verletzt die Persönlichkeitssphäre der darin gezeigten Frau nach Ansicht des Senats eklatant; die durch das Video vermittelte Grausamkeit gegenüber der Frau ist verstörend und erschütternd.
Weiters betont der Senat, dass die Intimsphäre von Opfern sexueller Gewalt erhöhten Schutz genießt; es liegt es auf der Hand, dass die Veröffentlichung eines Vergewaltigungsvideos die Menschenwürde und die Intimsphäre des Opfers grob missachtet. In dem Zusammenhang verweist der Senat auch auf Punkt 5.4 des Ehrenkodex, wonach auf die Anonymitätsinteressen von Verbrechensopfern besonders zu achten ist. Schließlich ist die Veröffentlichung des vorliegenden Videos dazu geeignet, das Leid der nahen Angehörigen massiv zu vergrößern.
Dabei ist es auch unerheblich, dass die involvierten Personen aufgrund der schlechten Bildqualität nicht deutlich zu erkennen sind bzw. das Opfer über weite Strecken des Videos verpixelt wurde. Für ihre nahen Angehörigen und Bekannten ist das Opfer wegen des drastischen Vorfalls jedenfalls identifizierbar. Zudem spielt es keine Rolle, ob das Video zuvor in anderen (sozialen) Medien veröffentlicht wurde: Eine Redaktion muss eigenständig darüber entscheiden, ob Bildmaterial persönlichkeitsverletzend ist, zumal Medien gerade bei Bildmaterial von brutaler Gewalt zurückhaltend sein und damit verantwortungsvoll umgehen sollten. In diesem Zusammenhang weist der Senat auch darauf hin, dass Onlinebeiträge auch Kindern und Jugendlichen zugänglich sind.
Im Ergebnis kann der Senat an der Veröffentlichung des Videos kein legitimes Informationsinteresse erkennen (Punkt 10.1 des Ehrenkodex). Das brutale Bildmaterial wurden wohl vor allem deshalb verwendet, damit sich der Beitrag stärker im Internet verbreitet. Das betroffene Medium wurde daher seiner Filterfunktion nicht gerecht. Der Senat stellt daher einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex fest. Die Medieninhaberin wird nachdrücklich dazu aufgefordert, das Video im Sinne der vorliegenden Entscheidung aus dem Beitrag zu entfernen.
In diesem Jahr ist es bereits das zweite Mal, dass das betreffende Medium vom Presserat gerügt wird: Im Mai 2022 stellte der Senat 2 einen Verstoß gegen Punkt 2.3 des Ehrenkodex wegen des Beitrags „Anzeige: Kriegsausrüstungs-Sammlung für Selenski mitten in Wien“, erschienen am 27.03.2022 auf „wochenblick.at“, fest. Darin wurden Vorwürfe gegen spendensammelnde Vereine erhoben, die strafrechtlich relevant sein könnten, ohne dass den Vereinen die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden war.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats auf eigene Initiative ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aus eigener Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „wochenblick.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der Zeitschrift „Wochenblick“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.