Die Drittschadensliquidation bezeichnet das Korrekturmodell eines in mehreren Fallkonstellationen auftretenden juristischen Problems im Schadensersatz. Die Drittschadensliquidation bezweckt den Ausgleich einer aus dem Blickwinkel des Schädigers gesehen zufälligen Schadensverlagerung auf einen Dritten. Dessen kalkulierbares Risiko wird nicht erhöht, denn er haftet, wo er eine Haftung zu erwarten hatte. Aufgrund der Schadensverlagerung auf ihn erhält der geschädigte Dritte nun einen Liquidationsanspruch, wohingegen der aus der Rechtsbeziehung zum Schädiger Anspruchsberechtigte mangels eines bei ihm eingetretenen Schadens selbigen fallenlässt.
Ohne diese Konstruktion müsste der Schädiger weder dem Anspruchsinhaber noch dem Geschädigten den Schaden ersetzen, da der Anspruchsinhaber keinen Schaden hat und der Geschädigte gegen den Schädiger keinen Anspruch. Da dieses Ergebnis als unbillig gewertet wird, bedarf es der Korrektur durch die Drittschadensliquidation.
Prinzip
Ausgangspunkt ist der zivilrechtliche Grundsatz, dass der Geschädigte gegen den Schädiger einen Rechtsanspruch hat und der Schädiger verpflichtet ist, den dem Geschädigten entstandenen Schaden zu ersetzen. Weiterhin gilt, dass stets nur der eigene Schaden gegenüber dem Schädiger geltend gemacht werden kann, nicht jedoch der Schaden eines Dritten.
Es gibt jedoch Fallkonstellationen in denen ein Schaden – aus Sicht des Schädigers zufällig – bei einer anderen Person als dem Anspruchsinhaber eintritt und der Schädiger so ungerechtfertigt entlastet würde. Fallkonstellationen der zufälligen Schadensverlagerung können sein: die „obligatorische Gefahrenentlastung“ (Auseinanderfallen vertraglicher oder gesetzlichen Gefahrtragungsregeln), Fälle der „mittelbaren Stellvertretung“ (Stellvertreter handelt im eigenen Namen, aber für die Rechnung eines Dritten) und Schadensfälle, die in „Obhutsverhältnissen“ (der Besitzer überlässt die Obhut über eine Sache einem Dritten, der diese beschädigt) eintreten. Über das Institut der Drittschadensliquidation wird sichergestellt, dass der Geschädigte in diesen Fällen trotzdem entschädigt wird: Die Person in deren Rechtsposition eingegriffen wurde, kann den Schaden des Dritten geltend machen und den Schädiger auf Leistung an den Dritten verklagen.
Abzugrenzen ist die Drittschadensliquidation vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, bei dem nicht der Anspruchsinhaber den Schaden des Dritten geltend machen kann, sondern – weitergehend – der Dritte einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger erhält. Insofern kommt es für den Schädiger im Rahmen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu einer Haftungskumulation (er haftet sowohl gegenüber seinem Vertragspartner als auch gegenüber dem einbezogenen Dritten), während es bei der Drittschadensliquidation nur zu einer Verschiebung der Haftung kommt.
Beispielsfall der Schadensverlagerung durch Gefahrübergang
Der Käufer K hat bei Verkäufer V 200 Flaschen Wein für sein Restaurant bestellt. Diese sollen im Auftrag des V durch die Spedition S-AG geliefert werden (Versendungskauf). Bei der S-AG gehen die Flaschen durch Verschulden der S-AG unter, werden mithin zerstört. Die ursprünglich aus der Gattung geschuldete Leistung ist mit Übergabe an die S-AG konkretisiert worden, weshalb V nach Eintritt der Unmöglichkeit der Lieferung nicht nochmals an K zu leisten braucht. Da aber die Gefahr des Untergangs auf K übergangen war, muss dieser gleichwohl den Kaufpreis zahlen.
V hat gegen die S-AG als Schadensverursacher zwar einen Schadenersatzanspruch, andererseits aber keinen Schaden, denn er bekommt das Geld. K hat zwar einen Schaden, denn er muss zahlen ohne dass er Ware erhält. Zudem hat er keinen Anspruch gegen die S-AG, da sie nicht sein Vertragspartner war. Lösung: V kann im Rahmen der obligatorische Gefahrenentlastung den Schaden des K gegenüber der S-AG ausnahmsweise ersetzt verlangen. K vollzieht dahingehend, als er vom V die Abtretung dessen Schadenersatzanspruchs verlangt.
Dadurch wird einerseits erreicht, dass dem Schädiger eine zufällige Schadensverlagerung nicht zugutekommt und dass andererseits der Schadensinhaber in schuldrechtlicher Hinsicht nicht auf dem Schaden sitzen gelassen wird.
Wäre K Verbraucher, wäre die Gefahr erst gar nicht auf ihn übergegangen, so dass Schaden und Anspruch gleich bei V zusammengefallen wären. Dieser Fall vernachlässigt jedoch, dass es sich bei dem Vertrag zwischen V und der S-AG um einen Frachtvertrag gemäß handelt, so dass anwendbar ist. Durch letztgenannten Paragraphen steht dem K als Empfänger ein eigener Schadensersatzanspruch gegen die S-AG zu. Eine Drittschadensliquidation ist also gar nicht nötig und daher auch gar nicht möglich.
Voraussetzungen
Die allgemeinen Voraussetzungen für die Drittschadensliquidation sind:
- Der Schaden liegt nicht beim Anspruchsinhaber (Anspruch ohne Schaden)
- Der Geschädigte hat keinen Anspruch (Schaden ohne Anspruch)
- Zufällige Verlagerung des Schadens vom Anspruchsinhaber auf den Geschädigten.
Vermögensschaden
Erleidet bei deliktischer Schädigung ein Dritter einen reinen Vermögensschaden, so ist dieser Drittschaden in der Regel nicht zu ersetzen, da der Dritte bloß mittelbar geschädigt ist. Die Verletzung des Dritten in seinen absolut geschützten Rechtsgütern (Schockschaden nach Tötung, Verletzung, etc. eines nahen Angehörigen, oder Polizist verletzt sich bei Verfolgung eines Straftäters) gilt jedoch als unmittelbare Schädigung.
Quellen
https://de.wikipedia.org/wiki/Drittschadensliquidation, zuletzt aufgerufen am 13.03.2019
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