Mit Rechtspositivismus bezeichnet man die Lehre, die sich bei der Lösung von Rechtsfragen allein auf das positive Recht gesetztes Recht und Gewohnheitsrecht stützt. Dem gegenüber steht die Lehre vom Naturrecht, die versucht das Recht aus der menschlichen Natur abzuleiten. Der Rechtspositivismus verhindert damit grundsätzlich, dass man das positive Recht anhand höherer Rechtsnormen überprüfen kann, und führt im Extremfall zu einer Bindung an Unrecht, wie z.B. an das Gesetz gewordene Unrecht während der Herrschaft der Nationalsozialisten.
Dies versucht die Radbruch´sche Formel zu verhindern, in dem sie eine Grenze für die Gültigkeit des positiven Rechts aufzeigt.
Rechtspositivismus bezeichnet eine Lehre innerhalb der Rechtsphilosophie bzw. Rechtstheorie, welche die Geltung von rechtlichen Normen allein auf deren positive Setzung „Kodifikation kodifiziertes Recht“; normativer Rechtspositivismus, z. B. Hans Kelsen oder/und ihre soziale Wirksamkeit soziologischer Rechtspositivismus, z. B. Eugen Ehrlich, H. L. A. Hart zurückführt. Dies bedeutet, dass eine notwendige Verbindung zwischen Recht und Gerechtigkeit abgestritten wird.
Den Gegensatz zum Rechtspositivismus bildet wissenschaftshistorisch die Lehre vom Naturrecht, die das geltende Recht überpositiven Maßstäben präskriptiv unterordnet und/oder aus ihnen deduktiv ableitet göttliches Recht.
Zur Rolle Gottes in der Entwicklung der Vorstellung eines Naturrechts (vgl. etwa Salvador Rus Rufino, Entwicklung des Naturrechts in der spanischen Aufklärung, in: Diethelm Klippel, Elisabeth Müller-Luckner, ”Naturrecht und Staat”, 2001, S. 73: “Dieses Gesetz gemeint ist das Naurrecht, das den Menschen unerbittlich zwingt, muß göttlichen Ursprungs sein und wird vom Menschen mittels der Vernunft erkannt. In den Worten Mayans: Der Urheber des Naturrechts muß derartige Macht haben, daß er diese Prinzipien in das Herz schreiben kann. Gott hat diese Macht, also ist Gott Schöpfer des Naturrechts”).
Vernunft. Auf den Rechtspositivismus bezieht sich auch korrigierend die rechtsethische Lehre von der Radbruchschen Formel, die „unerträglich ungerechte“ Normen auch dann nicht als geltendes Recht betrachtet, wenn sie Rechtsetzung positiv gesetzt und sozial wirksam sind. Unrecht wird also nicht deshalb zu Recht, weil es durch staatliche Gesetze legalisiert ist (Gerald Seibold, ”Hans Kelsen und der Rechtspositivismus”, 2008, S. 32.) – oder nach einem bekannten Spruch: “Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!” Neuere Gegensätze bzw. Weiterentwicklungen zum Rechtspositivismus, die auf diesen Bezug nehmen, aber nicht unter das klassische Gegensatzpaar ”Naturrecht vs. Rechtspositivismus” fallen, sind insbesondere die Systemtheorie des Rechts z. B. Niklas Luhmann und verschiedene Diskurstheorie des Rechts Diskurstheorien des Rechts vgl. z. B. Jürgen Habermas.
Neben dem erkenntnistheoretischen Rechtspositivismus als wissenschaftlicher Theorie wird mit dem Begriff meistens der praktische Rechtspositivismus auch: ”Gesetzespositivismus” in Verbindung gebracht: Eine Rechtsanwendung ist dann als positivistisch zu bezeichnen, wenn sie sich nur am vorgegebenen Gesetz orientiert und gegenüber außerrechtlichen Prinzipien undurchlässig ist.
Eine Gegenströmung innerhalb der Rechtsdogmatik ist die soziologische Jurisprudenz bzw. die juristische Hermeneutik, die nach den konkreten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Gesetzesauslegung fragt.
Abgrenzung
Rechtspositivismus ist eine rechtstheoretische, keine Ethik ethische oder Moral|moralische Theorie. Als solche versucht Rechtspositivismus die Frage zu beantworten „was ist Recht?“ bzw. „welche Normen sind Recht?“ Nahezu alle Rechtspositivisten, besonders moderne Theoretiker, die sich der analytischen Tradition zurechnen, betonen jedoch, dass diese Fragen unabhängig von der Frage sind, ob Recht Bürger moralisch Pflicht verpflichtet. Dies wird etwa von J. L. Austin hervorgehoben: Zitat Das Vorhandensein einer Rechtsnorm ist eine Sache; ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit eine andere.
Ob sie besteht oder nicht, ist eine Frage; ob sie einer zugrundegelegten Idealvorstellung entspricht, eine andere. Ein bestehendes Gesetz ist auch dann Gesetz, wenn es uns nicht zusagt oder wenn es von dem Kriterium abweicht, nach dem wir unsere Billigung oder Mißbilligung orientieren (John Austin, ”The Providence of Jurisprudence Determined”, Weidenfeld and Nicolson, Library of Ideas, London 1954, S. 184.)
Der Begriff des positiven Rechts
Der Begriff des Positives Rechtpositiven Rechts „ius positivum“ steht seit der Antike für „gesetztes“ Recht von lat. ”ponere” setzen, ”positum” gesetzt. Das positive Recht entspringt dem Ermessen eines Gesetzgebers und ist damit weder durch einen Rückbezug auf das ”ius divinum” Göttliches Recht legitimiert noch durch eine Bindung an ein alle Menschen gleichermaßen umfassendes und damit natürlich zukommendes Recht Naturrecht.
Der Begriff des positiven Rechts erfuhr im Lauf des 19. Jahrhunderts eine Aufwertung als grundlegende Option der gesamten Rechtsbegründung, bei der es primär darum gehen sollte, das Zusammenleben nach Konsens im Staatswesen zweckmäßig zu organisieren. Die Setzungen erwiesen sich in der Rechtsdiskussion des 20. Jahrhunderts als problematisch, als sich nach dem Zweiter Weltkrieg Zweiten Weltkrieg Richter für Rechtssprüche aus der Zeit des Nationalsozialismus verantworten mussten und ihre Entscheidungen mit dem positiven Recht begründeten.
Der Begriff des „geltenden“ Rechts ist nicht kurzerhand mit dem des „positiven“ – d. h. staatlich gesetzten – Rechts gleichzusetzen. Jener erfordert, dass Gebote rechtswirksam sind, d. h. die verlässliche Chance organisierter Durchsetzung haben siehe Rechtswirksamkeit, und dass sie legitim, d. h. zu rechtfertigen sind siehe Rechtsgeltung.
Diese Geltung kann z. B. auch Gewohnheitsrecht erlangen, das nur gekünstelt in allen rechtsgültigen Varianten als „staatlich gesetztes“ Recht darstellbar ist.
Kelsen: Dualismus von Sein und Sollen
In der philosophischen und rechtswissenschaftlichen Tradition spielt die Unterscheidung von Sein und Sollen eine wesentliche Rolle. David Hume hatte darauf aufmerksam gemacht, dass Sollenssätze nicht aus Seinssätzen abgeleitet werden können.
Immanuel Kant entwickelte seine Erkenntnistheorie in Auseinandersetzung mit Hume, wobei er die Unterscheidung von theoretischer „spekulativer“ und praktischer Vernunft zum Fundament seiner Überlegungen machte. Der Neukantianismus und dessen Anhänger in der Rechtswissenschaft, vor allem Hans Kelsen, schlossen an Kant an und spitzten den Gegensatz von Sein und Sollen weiter zu. Sie errichteten auf der Grundlage dieser Trennung einen Dualismus von Recht und Moral.
Nach Kelsens Reine Rechtslehre Reiner Rechtslehre ist die Sphäre des Seins, also des Faktischen, streng von der Sphäre des Sollens, also des normativ Rechtswesen Normativen, zu trennen. Aus dieser Trennung leitete Kelsen das Postulat ab, die Rechtswissenschaft habe sich ausschließlich mit den Rechtsnormen zu befassen. Die Analyse des auf Normen bezogenen Verhaltens betrachtete er als Gegenstand der Soziologie. Kelsen wollte ein geschlossenes, auf einer Grundnorm basierendes System von Regeln erstellen, das von allen Aspekten der soziologischen Wirklichkeit „rein“ sein sollte.
Diese Prämisse führte Kelsen zu der sogenannten „Trennungsthese“, die Recht und Moral als Teile zweier unabhängiger Systeme begriff. Gerechtigkeit ist dabei ein Teilaspekt der Moral, also ein originär philosophisches Problem, und damit nicht Gegenstand des Rechts. Recht könne vielmehr jeder beliebige Inhalt sein, der sich in ein Ordnungssystem einfüge und durch die Wirksamkeit von Zwang Geltung erfahre. Kelsen versuchte, das Problem rechtlicher Geltung auf methodisch reflektierte Weise unter Zugrundelegung wertrelativistischer Prämissen zu lösen.
Die Grundnorm und der Gedanke von einem rechtlichen Stufenbau, also einer hierarchischen Ordnung zwischen bedingenden und bedingten Normen, wie ihn Adolf Merkl erstmals formuliert hatte, sollte dabei Koinzidenz von Normativität und Faktizität sicherstellen. Die kategoriale Trennung von Sein und Sollen und das Ziel einer rein deskriptiven Erfassung positiver Rechtsordnungen weist der Unterscheidung zwischen präskriptiven Rechtsnormen und deskriptiven Rechtssätzen eine zentrale Rolle zu. Das heißt: Zwischen Normsetzung und Normbeschreibung wird streng unterschieden. Die deskriptiven, also nur beschreibenden, Rechtssätze treffen Aussagen über die präskriptiven, also vorschreibenden Rechtsnormen, die wiederum auf konkreten Willensakten beruhen.
Auch in der Unterscheidung zwischen Geltung und Wirksamkeit der Rechtsordnung und ihrer Normen spiegelt sich der Dualismus von Sein und Sollen wider. Unter der Geltung einer Norm wird ihr spezifisch normativer Charakter verstanden, also ihre Existenz in der Sphäre des Sollens. Wirksamkeit ist dagegen die tatsächliche Effizienz in der Welt des Seins. Da die Geltung einer Norm wegen ihrer Unableitbarkeit aus der Sphäre des Seins immer nur aus einer anderen, höheren Norm folgen kann, entsteht ein Regress, der erst in der Grundnorm endet. Dennoch gelten diese Normen nur, wenn sie Anwendung und Befolgung finden. Wirksamkeit ist also Bedingung der Geltung, nicht aber die Geltung selbst.
Literatur
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Weblinks
- SEP http://plato.stanford.edu/entries/legal-positivism/Leslie Green Philosoph Leslie Green
- IEP|http://www.iep.utm.edu/l/legalpos.htm Kenneth Einar Himma
- Horst Dreier: http://www.hans-kelsen.de/rrrr.pdf ”Rezeption und Rolle der Reinen Rechtslehre” PDF; 72 kB
- Horst Dreier: http://www.hans-kelsen.de/beitraege2.pdf ”Hans Kelsen 1881–1973: „Jurist des Jahrhunderts“?” PDF; 124 kB
- http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/ss97/igracki/volltext.html Die Positivismustheorie Gustav Radbruchs]
- H. L. A. Hart: http://www.gellert-online.de/Arbeiten/hart.htm Der Begriff des Rechts „Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert“, bearbeitet von K. Gellert
Quellen & Einzelnachweise
- http://de.wikipedia.org/wiki/Rechtspositivismus 03.11.2014
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