Der Tatausgleich ist rechtlich verankert als Instrument der Diversion im Strafrecht|Strafrecht. Das Verfahren stellt darauf ab, soziale Konflikte mit einer bereits stattgefundenen strafrechtlichen Dimension Anzeige eines Offizialdelikt Offizialdelikts von der Strafjustiz wieder zurück an die Konfliktparteien zu geben, damit diese ihren Konflikt selbstverantwortlich mit Hilfe einer professionellen Mediation|Mediation bereinigen können. Gelingt ihnen das, tritt das Strafrecht mit seinem Strafverfolgungsanspruch zurück, und ein weiteres formales Strafverfahren mit den daraus folgenden Konsequenzen wird hinfällig. Ziel des Tatausgleichs ist es, nicht nur den Konflikt zwischen den Konfliktparteien zu lösen, sondern auch den sozialen Rechtsfrieden wiederherzustellen, anstelle eines bloßen „Machteingriffs“ durch die Strafjustiz. Diese Möglichkeit besteht sowohl im Jugend- als auch im Erwachsenenstrafrecht, geregelt durch die Strafprozessordnung. Der Tatausgleich ist ein Beispiel für ein Verfahren im Sinne der Restorative Justice.
Zielsetzungen
Straffällig gewordene Personen in Gefängnissen zu inhaftieren verursacht nicht nur hohe Kosten, sondern birgt auch zahlreiche Faktoren, die ein weiteres straffälliges Verhalten der betreffenden Person wahrscheinlicher machen z.B. Herausgerissensein aus dem beruflichen Alltag, aus Familie und vorherigem Freundeskreis; Stigmatisierung auch nach der Entlassung etc. Gleichzeitig werden in einem normalen Strafverfahren die Bedürfnisse der Opfer nicht berücksichtigt: weder die materielle Wiedergutmachung des Schadens noch die Wiederherstellung des Gefühls von Sicherheit, Vertrauen oder Lebensfreude beim Opfer gelten als Aufgabe des Strafverfahrens. Eine Zielsetzung des Tatausgleichs ist, mithilfe einer anderen Verfahrensweise–orientiert an den Zugängen der Restorative Justice–Abhilfe für diese Mängel zu schaffen.
Von den Beschuldigten wird im Tatausgleich verlangt, dass sie sich aktiv mit ihrer Tat auseinandersetzen; dass sie eingestehen, die Tat begangen und damit Unrecht getan zu haben; dass sie sich in die betroffene Person hineinversetzen und beginnen, zu verstehen, wie sich das für diese angefühlt und ausgewirkt hat; dass sie sich entschuldigen; dass sie sich aktiv um eine Wiedergutmachung des materiellen und des immateriellen Schadens bemühen. Diese Übernahme von persönlicher Verantwortung soll auch die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen straffälligen Verhaltens vermindern.
Die geschädigte Person findet sich in einer professionellen Mediationsstelle aufgefangen, wo die Wahrnehmung ihrer Bedürfnisse erklärtes Ziel des Verfahrens ist. Sie nimmt im Verfahren eine aktive Rolle ein und kann selbst definieren, was ihre Bedürfnisse sind und wie diese erfüllt werden können. Sie hat die Möglichkeit, ihrem Ärger Gehör zu verschaffen, in einem unterstützenden Rahmen und beim direkten Verursacher. Sie kann materielle und immaterielle Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden erhalten. Durch ihre aktive Rolle, die zweifache Wiedergutmachung und die Erfahrung, mit dem Erlebten gehört und ernst genommen zu werden, kann sich unter Umständen das Gefühl von Sicherheit, eigener Handlungsmacht und sozialem Vertrauen wesentlich schneller und besser wieder einstellen.
Rechtsgrundlagen und Deliktarten
Die wesentlichsten Rechtsgrundlagen für den Tatausgleich bilden die Regelungen zu Diversion der Strafprozessordnung StPO in den §§ 198 – 209b, sowie die §§ 29, 29a und 29b des Bewährungshilfegesetzes. Die primäre Zuweisungskompetenz liegt bei der Staatsanwaltschaft Staatsanwaltschaft, jedoch können auch die Richter/innen bis zum Ende der Hauptverhandlung noch einen Tatausgleich einleiten. Im Jugendstrafrecht können alle Delikte mit einer Jugendstrafdrohung von höchstens fünf Jahren das entspricht einer Strafdrohung von zehn Jahren im Erwachsenenstrafrecht) dem Tatausgleich zugewiesen werden. Bei einer Zuweisung durch das Gericht entfällt die Strafobergrenze überhaupt. Die Mediation im Zuge des Tatausgleichs wird österreichweit über den Verein Neustart_Verein Neustart abgewickelt.
Die Strafprozessordnung § 204 normiert als Voraussetzungen für einen gelungenen Tatausgleich:
- Bereitschaft der Verdächtigten, für die Tat einzustehen und sich mit den Ursachen der Tat auseinanderzusetzen
- Wiedergutmachung des aus der Tat entstandenen unmittelbaren Schadens und/oder ein sonstiger Ausgleich der Tatfolgen
- Bereitschaft der Verdächtigten, Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen und diesbezüglich allenfalls Verpflichtungen zu übernehmen
- Zustimmung der durch die strafbare Handlung verletzten Person im Erwachsenenstrafrecht
Was die Deliktstruktur betrifft, so ist die leichte Körperverletzung gemäß § 83 StGB der häufigste Zuweisungsgrund zum Tatausgleich. Hofinger, Veronika / Neumann, Alexander: Legalbiografien von NEUSTART Klienten: Legalbewährung nach Außergerichtlichem Tatausgleich, Gemeinnütziger Leistung und Bewährungshilfe, Forschungsbericht des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien, Dezember 2008, S.42.
Weitere Delikte, aufgrund derer zum Tatausgleich zugewiesen wird, beinhalten schwere Körperverletzung § 84 StGB, Sachbeschädigung § 125 StGB, Gefährliche Drohung § 107 StGB, Nötigung § 105 StGB, Raufhandel § 91 StGB.
Bestandteile und Ergebnisse eines Tatausgleichs
Den Auftrag für die Mediation im Strafrecht geben nicht die unmittelbaren Parteien, sondern den Parteien wird die Möglichkeit einer Mediation durch die Organe der Strafjustiz angeboten.
Dem eigentlichen Mediationsverfahren wird daher eine prämediative Phase vorgeschaltet, um über Rechtslage und Verfahren zu informieren, die Interessenlagen und Fähigkeiten der Beteiligten auszuloten und ihre Akzeptanz sicherzustellen. Im Zuge der Mediation treffen sich die Mediator/inn/en häufig zunächst einzeln mit jeder der Parteien und bringen diese, sobald die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen sind, zu begleiteten Gesprächen zusammen. Dazu gibt es eine Vielzahl verschiedener Methoden der Mediation im Tatausgleich.
Mediation Ziele Mediation im Strafrecht hat mit hocheskalierten Konflikten zu tun, bei denen bereits eine polizeiliche Anzeige erfolgte. Mediation im Strafrecht hat außerdem mit Offizialdelikt Offizialdelikten zu tun, das heißt mit Delikten, die die Strafjustiz von sich aus verfolgt, egal ob die Betroffenen dies wünschen oder nicht. Auch die Rollenzuschreibung wer ist beschuldigt? wer wurde geschädigt?, tendenziell “Täter”/”Opfer” erfolgt durch die Staatsanwaltschaft. Zur Mediation kommt also ein Konflikt, bei dem die strafrechtliche Dimension wie die Spitze eines Eisbergs sichtbar ist, der weitaus größere Teil, die sozialen Komponenten des Konflikts jedoch unter der Wasseroberfläche liegen. Hocheskalierte Konflikte zeichnen sich dadurch aus, dass erst nach Aufarbeitung der emotionalen Dimensionen Kränkungen, Scham, Wut etc. des Konflikts die Sachebene aufbereitet werden kann und Lösungen für den Vorfall und für die Zukunft selbstverantwortlich durch die Parteien gestaltet werden.
Einige Beispiele für Ergebnisse im Zuge eines Tatausgleichs:
- Jugendliche stehlen und ruinieren ein altes Moped. Beim Tatausgleich erfahren sie, dass das Moped einem Zeitungsausträger gehört hat, der sehr wenig verdient und das Moped für seine Arbeit braucht. Die Haltung der Jugendlichen schwenkt von „war doch eine coole Partie und eh schon ein altes Moped“ hin zu Betroffenheit. Sie legen zusammen für ein Ersatzmoped.
- Beim Streit in einer Partnerschaft hat er ihr das Handy entrissen und ihr dabei blaue Flecken zugefügt. Im Zuge der Tatausgleichsgespräche sagt sie, dass ihr wichtig ist, dass er nachfühlt, was es für sie hieß, mit körperlicher Gewalt zu etwas gezwungen zu werden. Als das nach einigen vergeblichen Versuchen schließlich fruchtet, wünscht sie sich weiters als Wiedergutmachung, dass er sich etwas überlegt, was ihr Freude macht nicht, dass er etwas macht, was er schon vorgeschlagen/vorgeschrieben bekommt. Es wird letztlich eine gemeinsame Wochenendreise.
- In einem Catering-Unternehmen werden die Anweisungen des gestressten Kochs von den Hilfskräften, die nicht die gleiche Muttersprache wie der Koch sprechen, missverstanden. Der Koch bedroht eine Hilfskraft mit einem Messer. Ein Ergebnis des Tatausgleichs ist, dass die Küchenorganisation verändert wird.
- Zwei Mieter geraten aneinander, weil eine Partei den Kinderwagen am Gang stehen lässt und die andere sich behindert fühlt. Ein Ergebnis des Tatausgleichs ist, dass die eine Partei der anderen Partei ihr Kellerabteil überlässt, da diese selbst keins hatte.
Literatur
- Haider, A. / Leirer H. / Pelikan, C. / Pilgram, A.: ”Konflikte regeln, statt strafen! Über einen Modellversuch in der österreichischen Jugendgerichtsbarkeit”, Verein für Gesellschaftskritik, Wien 1988.
- Hofinger, Veronika / Neumann, Alexander: ”Legalbiografien von NEUSTART Klienten: Legalbewährung nach Außergerichtlichem Tatausgleich, Gemeinnütziger Leistung und Bewährungshilfe”, Forschungsbericht des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien, Dezember 2008.
- Schütz, Hannes: Die Rückfälligkeit nach einem Außergerichtlichen Tatausgleich bei Erwachsenen, in: ”Österreichische Richterzeitung” 1999, S. 161–166.
Weblinks
- http://www.neustart.org Verein Neustart
- http://www.irks.at Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie
- http://www.jusline.at/index.php?cpid f04b15af72dbf3fdc0772f869d4877ea&law_id 14 Strafprozessordnung
- http://www.jusline.at/index.php?cpid f04b15af72dbf3fdc0772f869d4877ea&law_id 161 Bewährungshilfegesetz
Quellen & Einzelnachweise
http://de.wikipedia.org/wiki/Tatausgleich 05.11.2014
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