Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, rechtslateinisch restitutio in integrum, ist ein Begriff aus dem Verfahrensrecht.
Von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Schweiz: „Wiederherstellung“) wird gesprochen, wenn ein Verfahrensbeteiligter bestimmte Fristen unverschuldet oder nur mit geringem Verschulden versäumt hat, jedoch (in der Regel auf seinen Antrag) so gestellt wird, als hätte er die Frist nicht versäumt: Er muss aber die betreffende Verfahrenshandlung in der Wiedereinsetzungsfrist nachholen.
Verwaltungsverfahren
Im österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht besteht nach § 71 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 die Regelung, dass die Behörde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Antrag einer Partei bewilligen muss, die eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat. Dies allerdings nur dann, wenn die Partei
- „glaubhaft macht“, dass sie ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert hat, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu kommen, und wenn sie daran kein Verschulden oder nur ein „minderer Grad des Versehens“ trifft,
- eine Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid
- überhaupt keine Rechtsmittelbelehrung enthält,
- keine Rechtsmittelfrist enthält oder
- die falsche Angabe enthält, dass gar kein Rechtsmittel zulässig sei.
Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von zwei Wochen beantragt werden. Diese Frist beginnt
- mit dem Wegfall des Hindernisses oder
- mit dem Zeitpunkt, in dem die Partei erfahren hat, dass ein Rechtsmittel doch zulässig ist.
Wenn eine Frist versäumt wurde, muss die versäumte Handlung (also etwa das Rechtsmittel) zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden.
Zuständig für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist die Behörde,
- bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder
- die die Verhandlung angesetzt hat, zu der die Partei nicht kommen konnte, oder
- die die falsche Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Bei dieser zuständigen Behörde muss der Wiedereinsetzungsantrag auch gestellt werden.
Bei Versäumung auch der Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag tritt endgültiger Rechtsverlust ein.
Zum Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung existiert umfangreiche Rechtsprechung, vor allem des Verwaltungsgerichtshofs. Nach überaus strenger Auslegung in der Vergangenheit ist sie in letzter Zeit deutlich „milder“ geworden.
- Zu den entscheidenden Aspekten zählen:
- „Verschulden“: grobe Fahrlässigkeit, auffallende Sorglosigkeit (das Verschulden des Vertreters fällt immer dem Vertretenen zur Last)
- „minderer Grad des Versehens“: leichte Fahrlässigkeit; ein Fehler, der gelegentlich auch sorgfältigen Menschen unterläuft
- „unabwendbares Ereignis“: es kann vom Willen des Betroffenen selbst nicht verhindert werden
- „unvorhergesehenes Ereignis“: es wurde weder mit einkalkuliert noch erwartet (dazu zählen auch psychologische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, sich irren)
- Keine Bewilligung der Wiedereinsetzung beispielsweise bei
- Rechtsirrtum oder Unkenntnis des Gesetzes
- Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung
- Erkrankung, die die Dispositionsfähigkeit (= Entscheidungs-, Verfügungsfähigkeit) nicht ausschließt
- mangelnden Sprachkenntnissen
- beruflicher Überlastung
- Urlaubsreise
- mangelhafter Organisation des Kanzleibetriebs eines Parteienvertreters
- Bestürzung über den Inhalt des Bescheides
- Bewilligung der Wiedereinsetzung beispielsweise bei
- Dispositionsunfähigkeit
- Irrtum oder Versehen einer erfahrenen und sonst verlässlichen Kanzleikraft
Zivilprozess
Für den Zivilprozess ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in §§ 233, 234, 236, 237, 238 ZPO – Zivilprozessordnung geregelt. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.