Haftung des Schneeräumungsunternehmens für „Eisfalle“

Eine unsachgemäße Ablagerung von Schnee kann eine Haftung für Unfälle auch dann begründen, wenn der Verletzte außerhalb des zu räumenden Bereichs gestürzt ist.

Die Klägerin ist Mieterin in einer Wohnhausanlage und verletzte sich wegen eines Sturzes auf einer eisglatten Stelle im Kreuzungsbereich eines Gehwegs innerhalb dieser Anlage. Das beklagte Unternehmen war damals mit der Verrichtung des Winterdienstes beauftragt. Am Tag vor dem Unfall schob ein Mitarbeiter der Beklagten frischen Schnee in eine von einer Mauer begrenzte Ecke des Kreuzungsbereichs. Dem dadurch gebildeten Schneehaufen lag ein tiefer gelegener Gully (Kanalgitter) gegenüber. Am Tag vor dem Unfall floss wegen steigender Temperaturen Schmelzwasser vom Schneehaufen zur späteren Unfallstelle. In der Nacht bildete sich ein Eisfleck, auf dem die Klägerin ausrutschte. Die exakte Lage des Eisflecks ist nicht mehr feststellbar.

Der Mitarbeiter wurde vom wirtschaftlichen Eigentümer der Beklagten (im Folgenden: Repräsentant) kontrolliert. Der Repräsentant war sowohl am Vortag des Unfalls nach der Räumung durch den Mitarbeiter (nachdem dieser den Schnee in das erhöhte Eck geschoben hatte) als auch am Unfallstag (ca zwei Stunden vor dem Sturz) an der Sturzstelle. Maßnahmen wegen des ihm erkennbaren Schneehaufens setzte er aber nicht.

Die Klägerin begehrt ua Schmerzengeld. Sie warf der Beklagten vor, dass ihr Mitarbeiter die Gefahrensituation grob fahrlässig herbeigeführt und die Beklagte durch ihren Repräsentanten nicht ordnungsgemäß kontrolliert habe. Wegen des Gefälles sei mit Sicherheit zu erwarten gewesen, dass das Schmelzwasser des vom Mitarbeiter geschaffenen Schneehaufens über den geräumten Gehweg Richtung Gully fließen würde. Aufgrund der im März üblicherweise herrschenden Temperaturen sei eine während der Nacht eintretende Glatteisbildung auf dem Gehweg absehbar gewesen. Eine tüchtige und sorgfältige Person hätte den Schnee entsprechend sachgemäß geräumt und die Gefahrensituation nicht herbeigeführt, sondern von vornherein vermieden.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es sei davon auszugehen, dass der Eisfleck nicht in dem Bereich gelegen sei, der von der Beklagten eisfrei zu halten gewesen wäre. Ein schuldhaftes Fehlverhalten des Mitarbeiters liege nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass sich die Sturzstelle innerhalb der von der Beklagten zu räumenden Fläche des Gehwegs befunden habe. Es sei irrelevant, ob der Mitarbeiter der Beklagten den Schnee nicht fachgerecht deponiert und damit den Eisfleck verursacht haben soll, weil nicht feststehe, dass die eisglatte Stelle in einem Bereich gelegen sei, der von der Beklagten winterdienstlich zu behandeln gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der außerordentlichen Revision der Klägerin Folge und sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht besteht.

Der Senat hielt fest, dass mit dem Ablagern einer Schneemenge in einem höher liegenden und von einer Mauer umgebenen Bereich die (sich letztendlich auch verwirklichte) Gefahr verbunden ist, dass Schmelzwasser bei einem Temperaturanstieg abrinnen und in weiterer Folge gefrieren kann. Der Umstand, dass sich der Sturz außerhalb des zu räumenden Bereichs ereignet haben soll, kann damit nicht zur Verneinung der Haftung führen, zumal die unsachgemäße Ablagerung der Schneemenge durch den Mitarbeiter eine davon unabhängige und zusätzliche Gefahrenquelle schuf. Wer eine Gefahrenquelle schafft oder in seiner Sphäre bestehen lässt, muss die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen.

Es steht fest, dass die Klägerin auf einer Eisfläche gestürzt ist, die durch die unsachgemäße Ablagerung des Schnees durch den Mitarbeiter der Beklagten verursacht wurde. Die Beklagte haftet für ihren Repräsentanten, der es verabsäumt hat, zumutbare Maßnahmen (zB Verlagerung des Schneehaufens zur niedrigeren Stelle beim Gully) zu veranlassen, um damit die Verwirklichung der erkennbaren Gefahr zu verhindern. Der Repräsentant war eigenverantwortlich und einflussreich für die Kontrolle der schneeräumenden Mitarbeiter der Beklagten zuständig und damit für sie in „gehobener“ Stellung tätig.

Die Veröffentlichung im RIS folgt in Kürze.

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