Eine einmalige Nachlässigkeit der in der Klinik der Beklagten angestellten Ärztin in der konkreten Notsituation eines anaphylaktischen Schockgeschehens war nicht so schwerwiegend, dass der Beklagten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war.
Im Zuge der Akutbehandlung einer Patientin in der Klinik der Beklagten trug die dort angestellte Ärztin (Klägerin) der zuständigen Diplomkrankenpflegerin telefonisch ua auf, eine Spritze mit 1 mg Adrenalin vorzubereiten. Diese verstand jedoch anstatt Adrenalin „Noradrenalin“, weshalb sie nochmals hinsichtlich der Vorbereitung des Medikaments bei der Klägerin nachfragte. Diese wiederholte schließlich „1 mg Adrenalin“. Die Diplomkrankenpflegerin verstand abermals „Noradrenalin“, das ihr grundsätzlich untypisch vorkam, weil es nur bei Blutdruckabfall eines Patienten verabreicht wird. Sie bereitete dann „Noradrenalin“ vor. Anschließend fragte sie bei der Klägerin nochmals nach, ob sie tatsächlich „Noradrenalin“ spritzen wolle. Die Klägerin verstand „Adrenalin“ und bestätigte die beabsichtigte Verabreichung von 1 mg Adrenalin.
Zur Behandlung des in der Folge bei der Patientin auftretenden anaphylaktischen Schocks entschied sich die Klägerin, Adrenalin zu spritzen. Sie nahm die vorbereitete Spritze, ohne die von der Diplomkrankenpflegerin in einer Nierentasse vorbereitete und abgelegte Ampulle zu kontrollieren. Sie ging davon aus, dass es sich um – wie angeordnet – 1 mg Adrenalin handelte, verdünnt auf 5 ml.
Nachdem die Klägerin der Patientin die Spritze verabreicht und von der Diplomkrankenpflegerin erfahren hatte, dass in der Spritze Noradrenalin war, leitet die Klägerin sofort und erfolgreich die Notfallbehandlung der Patientin ein.
Die Vorinstanzen sahen die von der Beklagten wegen Vertrauensunwürdigkeit ausgesprochene Entlassung als berechtigt an.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Klagebegehren, mit dem die Klägerin entlassungsabhängige Ansprüche geltend machte, hingegen statt.
Es begründete dies damit, dass bestimmte ärztliche Tätigkeiten (ua das Vorbereiten und die Verabreichung einer Injektion) an diplomierte Pflegepersonen delegiert werden dürfen. Dabei verbleibt die Anordnungsverantwortung bei den Ärzten, die Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege tragen hingegen die Durchführungsverantwortung. Auf Grund der ärztlichen Diagnose sind die angeordneten Maßnahmen durch das diplomierte Pflegepersonal eigenverantwortlich durchzuführen. Für die Kompetenzen der diplomierten Krankenpflegeberufe entfällt insoweit die Aufsichtspflicht des Arztes. Die Klägerin musste daher grundsätzlich die Richtigkeit der Vorbereitung der von ihr angeordneten Spritze nicht überprüfen.
Nachdem jedoch die Klägerin das Etikett der Ampulle mit der Aufschrift „1 mg pro ml“ las und wusste, dass sich in der Ampulle insgesamt 5 ml befanden, hätte sie erkennen können, dass es sich dabei nicht um 1 mg Adrenalin verdünnt auf 5 ml handelte. Auch wenn die Klägerin grundsätzlich keine Kontrollpflicht der vorbereiteten Spritze traf, so hätte sie in der konkreten Situation doch den bei der Vorbereitung der Spritze unterlaufenen Fehler erkennen können, hätte sie das Etikett mit dem Inhalt der Spritze verglichen. Zu dieser Überprüfung wäre sie nach den konkreten Umständen auch verpflichtet gewesen.
Diese einmalige Nachlässigkeit der Klägerin in der konkreten Notsituation eines anaphylaktischen Schockgeschehens war aber nicht so schwerwiegend, dass der Beklagten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war. Aus objektiver Sicht konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihren ärztlichen Pflichten wegen dieses einmaligen Fehlverhaltens in Zukunft nicht mehr zuverlässig nachkommen würde. Fehldiagnosen hat die Klägerin im konkreten Fall nicht gestellt. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ist der Klägerin kein ähnlicher Fehler unterlaufen, sie war auch von der Beklagten zuvor nie wegen eines Fehlverhaltens verwarnt worden.