Der Anklagegrundsatz ist ein wesentlicher Bestandteil des österreichischen Strafprozessrechts. Er besagt, dass strafgerichtliche Verfahren nur aufgrund einer förmlichen Anklage eingeleitet werden können. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft, als objektivste Behörde im Strafverfahren, die Verantwortung dafür trägt, ausreichende Verdachtsmomente zu untersuchen und, wenn diese bestehen, Anklage bei Gericht zu erheben.
Gemäß § 210 der österreichischen Strafprozessordnung (StPO) ist das Hauptverfahren nur dann zu eröffnen, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. Dies stellt sicher, dass kein Strafverfahren ohne ausreichende Verdachtslage eingeleitet wird und dient als Schutzmechanismus gegen Willkür. Die Anklage muss den Sachverhalt klar und deutlich darlegen und die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat genau umschreiben.
Der Anklagegrundsatz ist eng mit dem Legalitätsprinzip verbunden, welches die Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Straftaten vorsieht, sofern ein Anfangsverdacht vorliegt. Gleichzeitig steht dieser Grundsatz im Einklang mit dem Opportunitätsprinzip, das bestimmte Ermessensspielräume erlaubt, beispielsweise bei Verfahrenseinstellungen aus Opportunitätsgründen gemäß § 190 StPO.
Der Anklagegrundsatz sichert zudem die Trennung der Funktionen im Strafverfahren: Die Staatsanwaltschaft verfolgt Straftaten und erhebt Anklage, während das Gericht unabhängig und unparteiisch über die Schuld und die allfällige Strafe entscheidet. Dies gewährleistet eine klare Aufgabenverteilung und verhindert eine Vermischung von Anklage und Urteil, was grundrechtlich besonders relevant ist.
Da der Anklagegrundsatz die Einleitung des Hauptverfahrens an eine Anklage bindet, haben auch Angeklagte die Möglichkeit, sich gegen die Anklage zu wehren, bevor das Verfahren eröffnet wird, etwa durch Einspruch gegen die Anklage gemäß § 212 StPO. Dies stärkt den Rechtschutz der Beschuldigten.
Zusammenfassend garantiert der Anklagegrundsatz im österreichischen Recht eine faire und rechtsstaatliche Ausgestaltung des Strafverfahrens, indem er die Einleitung des Hauptverfahrens an klare Voraussetzungen knüpft und sowohl die Rechte der Beschuldigten als auch die Pflichten der Staatsanwaltschaft definiert.