Rechtsfigur

Im österreichischen Recht wird der Begriff „Rechtsfigur“ nicht in der selben Ausführlichkeit wie im deutschen Recht verwendet. Statt einer formalen Definition als solche, wird der Begriff oft benutzt, um besondere juristische Konstruktionen oder Institute zu beschreiben, die eine spezifische Anwendung oder Auslegung in der Rechtswissenschaft erhalten haben.

Ein Beispiel für eine solche Rechtsfigur im österreichischen Recht ist die „Naturalobligation“. Diese entsteht in Fällen, in denen eine Verpflichtung besteht, zu deren Erfüllung jedoch keine gerichtliche Klage erhoben werden kann. Ein klassisches Beispiel für eine Naturalobligation ist die freiwillige Erfüllung einer verjährten Schuld. Aufgrund der Verjährung kann der Gläubiger nicht mehr klagen, trotzdem bleibt die Leistung erlaubt und könnte beispielsweise analog zu § 1431 ABGB nicht zurückgefordert werden, wenn sie freiwillig erbracht wurde.

Ein weiteres Beispiel ist der „Besitzstörungsanspruch“, geregelt in den §§ 339 ff. des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Diese Rechtsfigur erlaubt einem früheren Besitzer, der durch eigenmächtiges Handeln oder verbotene Eigenmacht seines Besitzes beraubt wurde, einen raschen und spezifischen rechtlichen Schutz: Es handelt sich um einen schnellen Rechtsschutz zur Verteidigung des faktischen Besitzstandes ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage.

Das österreichische Recht kennt auch die sogenannte „Treu und Glauben“-Rechtsfigur, eine grundlegende Verpflichtung, die in fast allen Bereichen des Zivilrechts durchschlägt. Es wird als Grundsatz angesehen, der besagt, dass jede Partei in Vertragsverhandlungen und bei der Vertragserfüllung nicht nur die ausdrücklichen Vertragsbedingungen, sondern auch die in der Rechtsordnung implizit vorausgesetzten Prinzipien von Ehrlichkeit und Fairness einhalten muss. Obwohl dieser Grundsatz nicht konkret in einem bestimmten Paragraphen des ABGB festgeschrieben ist, wird er aus verschiedenen Bestimmungen des ABGB abgeleitet, zum Beispiel aus den §§ 914 und 915 ABGB, die die Auslegung von Verträgen betreffen.

Zusammengefasst stehen diese Beispiele stellvertretend für viele Rechtsfiguren, die im österreichischen Recht eine Rolle spielen können. Im Allgemeinen handelt es sich immer um spezifische juristische Konstruktionen, die entweder in der Rechtsliteratur entwickelt oder durch die Rechtspraxis geformt wurden, und die helfen, das komplexe Rechtssystem zu strukturieren und zu erklären.

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