Schlüssiges Handeln

Konkludentes Handeln (auch schlüssiges Verhaltenstillschweigende Willenserklärung oder konkludente Handlung) liegt im Rechtsverkehr vor, wenn jemand seinen Willen stillschweigend zum Ausdruck bringt und der redliche Empfänger hieraus auf einen Rechtsbindungswillen schließen darf, sodass ein Vertrag auch ohne ausdrückliche Willenserklärung zustande kommen kann.

Allgemeines

Bei einer Willenserklärung muss der innere Wille erklärt werden, also nach außen erkennbar gemacht werden. Die Artikulierung des Willens erfolgt in der Regel ausdrücklich (mündlich oder schriftlich), kann jedoch auch stillschweigend, d. h. durch schlüssiges oder konkludentes Handeln vorgenommen werden. Damit gibt es drei Formen, mit denen man rechtlich seinen Willen zum Ausdruck bringen kann, nämlich mündlich, schriftlich oder durch „schlüssiges“/konkludentes Verhalten. Während bloßes Schweigen reines Nichtstun darstellt, weder „Ja“ noch „Nein“ bedeutet und somit keine Willenserklärung ist, wird durch Konkludenz ein Rechtsbindungswillen ausgedrückt. Wer hingegen schweigt, setzt in der Regel gerade keinen Erklärungstatbestand, er bringt weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung zum Ausdruck.

Voraussetzungen

Von Konkludenz ist auszugehen, wenn der Erklärende nicht schriftlich oder mit Worten, sondern mit seinem Verhalten sein gewolltes Tun zum Ausdruck bringt. Diese Handlungen ermöglichen dann dem Empfänger einen mittelbaren Schluss auf den Rechtsfolgewillen des Erklärenden. Dieser Rückschluss des Empfängers auf den Rechtsbindungswillen des Erklärenden hat zur Bezeichnung „schlüssiges Verhalten“ geführt. „Schlüssig“ ist ein Verhalten jedoch nur dann, wenn es zuverlässig auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen schließen lässt. Schweigen und Nichtstun allein rechtfertigen diesen Rückschluss nie. Schweigen wird zum Akt der Willenserklärung erst und nur dadurch, dass sich der Schweigende der Bedeutung seines Schweigens als Erklärungszeichen bewusst ist. Dem Schweigenden muss mithin bewusst sein, dass sein Verhalten als Ausdruck eines Annahmewillens gedeutet werden könnte. Nicht jedes Handeln oder Verhalten einer Person ist in diesem Sinne schlüssig. Erforderlich und ausreichend ist, dass ein nach außen hervortretendes Verhalten vorliegt, aus dem sich der Annahmewille für den Adressaten eindeutig ergibt. Der Wille des Erklärenden wird beim schlüssigen Handeln also nicht unmittelbar ausgedrückt, sondern ergibt sich mittelbar aus den Umständen oder dem Verhalten der erklärenden Person.

Eine ausdrückliche Willenserklärung liegt vor, wenn sich jemand der Sprache in Schrift oder Wort bedient, um seinen Rechtfolgewillen zu äußern. Zum schlüssigen Verhalten, aus dem der Empfänger einen Rechtsbindungswillen entnehmen darf, gehört somit die nonverbale Kommunikation wie Mimik, Gestik oder sonstige Körperbewegungen in einer bestimmten Situation. Die Rechtsprechung spricht hierbei vom „objektiven Empfängerhorizont“, wonach es darauf ankomme, „ob vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus das Verhalten des Angebotsempfängers aufgrund aller äußeren Indizien auf einen wirklichen Annahmewillen schließen lässt.“

Typische Fälle des konkludenten Verhaltens

Viele Willenserklärungen des täglichen Lebens werden wortlos durch Mimik, Gestik oder Bewegungen abgegeben (Zeigen auf die Ware, Deponieren der Ware an der Kasse, Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel) und dürfen von der anderen Partei als Äußerung eines Rechtsbindungswillens verstanden werden.

Öffentliche Verkehrsmittel

Steigt jemand in öffentliche Verkehrsmittel ein, kommt automatisch durch schlüssiges Verhalten ein Beförderungsvertrag mit dem Beförderungsunternehmen zustande. Das Beförderungsunternehmen unterbreitet durch Halten an der Haltestelle ein Angebot an jedermann (Ad incertas personas), das der Fahrgast durch bloßes Einsteigen annimmt; im Einsteigen liegt das schlüssige Verhalten. Damit unterwirft sich der Fahrgast durch Einsteigen dem Beförderungsvertrag einschließlich der Beförderungsbedingungen.

Umstritten war lange Zeit, ob das auch für den Fall der Protestatio facto contraria non valet (Abstreiten einer eindeutig durch schlüssiges Verhalten erklärten Willenserklärung) gilt, mit dem ein Vorbehalt bei Abgabe einer konkludenten Willenserklärung bezeichnet wird, der mit den äußeren Umständen nicht übereinstimmt. Steigt nämlich jemand in ein öffentliches Verkehrsmittel ein und äußert dabei, er wolle keinen Beförderungsvertrag abschließen, ist ein solcher Vorbehalt nichtig, und der Vertrag kommt dennoch zustande. Diese Äußerung ist wirkungslos, weil aus dem Verhalten der Person notwendigerweise auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Willen geschlossen werden muss, wobei deren Handlungsweise eine andere Deutung nicht zulässt. Obwohl der Vertragspartner durch entsprechende Äußerungen weiß, dass der Erklärende keinen Vertrag schließen will, genügt das Verhalten des Erklärenden zum Vertragsabschluss.

Nach dieser heute überwiegenden Ansicht kommt der Beförderungsvertrag – auch trotz fehlenden Rechtsbindungswillens – durch das konkludente Verhalten zustande. Das schlüssige „Ja“ überwiegt gegenüber dem ausdrücklichen „Nein“. Bringt jemand vor dem Einsteigen zum Ausdruck, keinen Vertrag schließen zu wollen, stellt sich dies als widersprüchliches Verhalten dar, das treuwidrig] ist. Demnach kommt der Vertrag zustande, sodass das (gegebenenfalls erhöhte) Beförderungsentgelt fällig wird. Strafrechtlich wird eine Beförderungsleistung bereits dann „erschlichen“, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen.

Sonstiges

Umstritten ist, ob zu den Willenserklärungen durch konkludentes Verhalten auch die so genannten Willensgeschäfte gehören, also Eigentumsaufgabe, Aneignung oder Erbschaftsannahme.

Schlüssiges Verhalten ohne Rechtsbindungswillen

Soll ausnahmsweise schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein oder ohne Rechtsbindungswillen als Willenserklärung behandelt werden, so muss der sich Äußernde fahrlässig bei dem Erklärungsempfänger das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt geweckt haben. Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat.

Ausdrückliche Erklärung und Formzwänge

Ein bloß schlüssiges Verhalten genügt in jenen Fällen nicht, wo das Gesetz eine ausdrückliche Erklärung verlangt. Dann muss die Erklärung zwar nicht schriftlich, aber besonders klar und eindeutig sein; bloß schlüssiges Verhalten erfüllt die Voraussetzungen für eine ausdrückliche Erklärung dann nicht.

Wird durch das Gesetz sogar Schriftform (etwa Bürgschaft) oder notarielle Beurkundung verlangt, reicht schlüssiges Verhalten erst recht nicht aus. Wird der gesetzlich vorgesehene Formzwang nicht eingehalten, sind entsprechende Verträge nichtig.

Quellen & Einzelnachweise

Lizenzinformation zu diesem Artikel

Dieser Artikel basiert auf dem in den Quellen angeführten Wikipedia-Artikel, verfügbar unter der LizenzCC BY-SA 3.0„.

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