OGH: Tiere begründen kein Trauerschmerzengeld

Warum es rechtlich einer Grenzziehung der Trauer zwischen Mensch und Tier bedarf

Meine neueste RechtEasy Law Review beschäftigt sich mit einer jüngst ergangenen Judikatur des OGH (2Ob142/20a) betreffend Trauerschmerzengeld bei Verlust eines Tieres. Es geht insbesondere darum, ob ein Trauerschmerzengeld durch Verlust eines Haustieres bei einem schädigenden Verhalten zusteht.

Bisher gab es, wie der OGH auch in der nachstehend beschrieben Judikatur ausführt, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu.

Ausgangssachverhalt

Beteiligt am Unfall geschehen waren der Erstkläger und Erstbeklagter, welcher zumindest leicht fahrlässig den Unfall verursachte. Als Halterin des KFZ haftet die Zweitbeklagte und nach § 26 KHVG die Drittbeklagte, also die Versicherung. Im Fahrzeug des Erstklägers war ein Hund, der mit einem Gurt gesichert war. Nach dem Unfall schnallte der Erstkläger den Hund ab, dieser sprang daraufhin aus dem Kfz und lief davon. Er wurde später leblos am Straßenrand wiedergefunden.

Klagebegehren

Die Kläger begehren Trauerschmerzengeld iHv EUR 8.000,– aufgrund des unfallbedingten Verlustes des Hundes. Der Erstbeklagte habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt und handelt es sich bei dem Hund um einen „Familienhund“. Die Kläger haben den Hund wie ein Kind gepflegt, ihn täglich angezogen, alle „besonderen Ereignisse“ mit dem Hund gefeiert, in „spezielle Hundehotels“ gefahren sowie „Hundesalons und Hundemoden wie auch veganes Hundefutter“ zuteil werden lassen. Aufgrund dieser Umstände bestehe, wie bei nahen Angehörigen, ein Anspruch auf Trauerschmerzengeld.

Die Beklagten begehrten die Abweisung des Begehrens. Der Erstbeklagte hat nicht grob fahrlässig gehandelt. Sie argumentierten, dass ein Anspruch auf Trauerschmerzengeld nur bei Tötung naher Angehöriger und nicht auch bei Tieren zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf keine weiteren Feststellungen zum Unfallhergang sowie zur behaupteten Nahebeziehung der Kläger zum Hund. Das Gericht führte aus, dass nach der Rsp des OGH die Tötung eines Tieres keinen Anspruch auf einen Schockschaden begründe. Dies gelte auch für das in casu begehrte Trauerschmerzengeld.

Das Berufungsgericht schloss sich der Entscheidung des Erstgerichts an. Die Revision der Kläger ist aufgrund der fehlenden Stellungnahmen des OGH zu der in der Literatur vertreten Meinung, wonach im Falle einer engen Gefühlsbeziehung auch bei Tötung eines Haustieres Trauerschmerzengeld gebühre, zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist aufgrund des Fehlens von Rechtsprechung zur Frage, ob auch der Verlust eines Tieres Trauerschmerzengeld begründe, zulässig aber nicht berechtigt.

Der OGH hat einen Anspruch bei Verlust naher Angehöriger auf Trauerschmerzengeld bei groben Verschulden bereits in seiner Entscheidung 2Ob84/01v bejaht. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist eine intensive Gefühlsgemeinschaft, wie sie zwischen nächsten Angehörigen typischerweise besteht. Hierbei sind Ehegatten, Lebensgefährten sowie Eltern und Kinder jedenfalls erfasst. Bei Geschwistern bestehe solch eine Gefühlsgemeinschaft nur dann, wenn sie in einem gemeinsamen Haushalt leben. Gegenteiliges hat der Schädiger zu beweisen.

Diese formale Beweislastverteilung ist beim Schadenersatz für den Trauerschmerz notwendig, da das Bestehen und der Umfang dieses Gefühlsschaden wegen des Fehlens einer gesundheitlichen Beeinträchtigung sich nur schwer feststellen und überprüfen lässt.

Der OGH führt aus, dass diese Rsp abzugrenzen sei, von jener zum „Schockschaden“. Hierbei ist der Tatbestand des § 1325 ABGB erfüllt, die Schädigung allerdings bloße Reflexwirkung einer Erstschädigung. Die Rechtswidrigkeit resultiert hierbei nicht aus dem bloßen Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern soll, sondern werden aus der bei der Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Schädigers auch gegenüber dem Dritten besonders gefährlich war. Es kommt also darauf an, ob die Verletzungshandlung in hohem Maße geeignet war, einen Schockschaden herbeizuführen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Schockschaden durch das Miterleben oder die Nachricht vom Tod oder einer schwersten Verletzung eines nahen Angehörigen hervorgerufen wurde.

Die Lehre ist zu der Frage des Anspruchs auf Trauerschmerzengeld bei Verlust eines Haustieres nicht mehr ganz einheitlich. Es überwiegt die Auffassung, dass der Verlust eines Tieres keinen Anspruch auf Ersatz ideeller Schäden begründen kann. Es wird allerdings regelmäßig hierbei die Frage des Schockschadens behandelt.

In der vorliegenden Judikatur stellt der OGH dar, dass nach Kathrein die Beschränkung der Schockursache auf die Sorge um eine natürliche Person der bisher strigenten Linie zur Ablehnung von Schadenersatzansprüchen aus der Sorge um bloße Vermögenswerte entspricht. Im Gegensatz zu der Beschädigung von Vermögenswerten liege der Eintritt einer psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert bei der Tötung eines geliebten Haustieres nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung. Adäquanz sei nicht zu verneinen, jedoch der Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Beisteiner und Hinteregger bejahen hingegen einen Anspruch mit nachstehender Begründung. Beide sehen in § 1332a ABGB einen Wertewandel niedergeschlagen, welcher auch den Verlust eines Tieres zu dem eine starke emotionale Beziehung bestanden habe, eine Haftung begründen kann. Nach Beisteiner gilt das aber nur für Schockschäden, da sie ausführt, dass der bloße Trauerschaden im Falle der Sachbeschädigung nach § 1331 ABGB nur bei Vorsatz zu ersetzen sei. Hinteregger bejaht demgegenüber den Anspruch auf Trauerschmerzengeld aufgrund der Wertung des § 1332a ABGB, nicht aber jenen auf Ersatz des Schockschadens. Nur die Sorge um einen Menschen, nicht aber jene um ein Tier, könne als ausreichende Schockursache bewertet werden. Es sei allgemein nicht nachvollziehbar, dass sich jemand den Tod seines Haustieres so zu Herzen nehme, dass er deshalb einen eigenen Gesundheitsschaden erleidet.

Die bloße Trauer um ein Haustier kann von vornherein keinen Schmerzengeldanspruch begründen, so die Ansicht des Senats.

Ausgangspunkt ist die Wertung des § 1331 ABGB. Die Beschädigung einer Sache begründet nur dann einen Anspruch auf den „Wert der besonderen Vorliebe“, wenn sie „vermittels einer durch das Strafgesetz verbotenen Handlung oder aus Mutwillen und Schadenfreude erfolgte“. „Außergewöhnliche Gefühlsbeziehungen“ können daher nur unter diesen Voraussetzungen vom Eigentümer als ideelle Schäden vom Schädiger verlangt werden.

Tiere sind gem § 285a ABGB keine Sache, doch sind die für Sachen geltenden Bestimmungen in soweit auch auf Tiere anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen. § 1332a ABGB normiert eine solch abweichende Regelung, wenngleich die Norm jedoch nur die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung erfasst.

Besonders hervorgehoben durch den Senat wurde der Ausschussbericht zu § 1332a ABGB. In diesem wird ausdrücklich festgehalten, dass „neben der neuen Regelung auch § 1331 ABGB anwendbar bleibt, dass also unter den dort angeführten subjektiven Voraussetzungen auch der Wert der besonderen Vorliebe zu ersetzten ist“. Ideelle Schäden aufgrund eines Tieres sind demnach nur bei Vorsatz zu ersetzen.

Der OGH führt weiter aus, dass aufgrund dieser Grundlage die durch Rechtsanalogie entwickelte Rechtsprechung zum Ersatz des Trauerschadens nicht auf den Verlust eines Tieres übertragen werden kann. Es fehlt eine Lücke, welche durch Analogie geschlossen werden kann. Weiters fehlt es an der Typizität der Trauer welche beim Verlust eines Tieres, anders als bei der Tötung eines nahen Angehörigen, nicht gegeben ist. Die Typizität der Trauer ist beim Trauerschmerzengeld notwendige Tatbestandvoraussetzung, weil sich Trauer einer objektiven Beurteilung entzieht und daher eine klare Abgrenzung der Anspruchsberechtigten erforderlich ist.

Beim Verlust eines Tieres liegt bei objektiver Betrachtung eine dem Verlust eines Menschen gleichkommende Trauer so fern, dass eine klare Grenzziehung erforderlich ist.

Abschließend hält der OGH fest, dass „Trauerschmerzengeld“ somit bei Verlust eines Tieres nur nach Maßgabe des § 1331 ABGB in Betracht kommt. Dies wäre bei Tierquälerei iSv § 222 StGB der Fall. Bei bloßer (wenngleich auch grob fahrlässiger) Tötung könnte ein Anspruch nur durch eine Änderung des Gesetzes begründet werden.

Conclusio

Die Frage nach einem Trauerschmerzengeld bei Verlust eines geliebten Haustieres ist schwieriger zu beantworten als es zunächst scheint, wie die oben beschrieben Judikatur klar darstellt. Das Gesetz unterscheidet zwischen Mensch und Tier, wie dies auch in § 285a ABGB zum Ausdruck kommt. Demgemäß sind Tiere keine Sachen aber es kommen dennoch die Reglungen über Sachen auf Tiere zur Anwendung, wenn keine abweichenden Regelungen bestehen. Auch, wenn man sein Haustier wie ein Familienmitglied behandelt und auch so fühlt, so ist dennoch zu differenzieren. Die Trauer bei einem Haustier kann rechtlich gesehen nicht die gleiche sein wie die bei Verlust eines Menschen, weshalb der OGH einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld abgelehnte.

Ein interessantes Urteil ist es jedenfalls.

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