Bahnbrechendes Urteil des EuGH zum internationalen Eisenbahnverkehr – zukünftig keine Geltendmachung von Ersatzmietkosten.
Wien/Luxemburg (OTS) – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun in einem Urteil klargestellt, dass die aufgrund eines Schadensfalles entstandenen Kosten für die ersatzweise Anmietung von Lokomotiven nicht von der Haftung der ÖBB als zuständige Infrastrukturbetreiberin umfasst sind. Damit bleibt das Eisenbahnverkehrsunternehmen, welches die Lokomotiven eingesetzt hat und für die Dauer ihrer Reparatur andere Lokomotiven ersatzweise anmieten musste, auf diesen Kosten für die Anmietung sitzen.
In der seit 2018 vor den österreichischen Gerichten anhängigen Rechtssache wurde die ÖBB-Infrastruktur AG als zuständige Infrastrukturbetreiberin von einem Eisenbahnverkehrsunternehmen, welches Lokomotiven auf den ÖBB-Schienen eingesetzt hat, geklagt. Grund dafür war eine Entgleisung in einem Tiroler Bahnhof im Jahr 2015, bei welcher Lokomotiven des Eisenbahnverkehrsunternehmens beschädigt worden waren. Für die Dauer der Reparatur musste das Unternehmen Ersatzlokomotiven anmieten und machte die ihr entstandenen Ersatzmietkosten bei der ÖBB geltend. Die ÖBB argumentierte mit der Anwendbarkeit des im internationalen Eisenbahnverkehr geltenden Übereinkommens (Anhang E zum COTIF einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenverkehr „CUI“). Bei der genannten Fahrt handelte es sich um eine internationale Fahrt, der aus Italien kommende Zug war über Österreich auf dem Weg nach Deutschland. Die ÖBB argumentierte, dass die Ersatzmietkosten reine Vermögensschäden seien und diese nach dem CUI nicht ersetzt werden können. Das Handelsgericht Wien folgte den Ausführungen der ÖBB, das Oberlandesgericht gab aber der Berufung des klagenden Eisenbahnverkehrsunternehmens Folge und ließ das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zu. In diesem begehrte die ÖBB aufgrund der internationalen Relevanz der gegenständlichen Rechtsfrage die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und legte der OGH die Rechtsfragen dem EuGH vor.
Neben der Frage, ob der EuGH überhaupt für die Auslegung des CUI zuständig sei, wurden die Richter in Luxemburg insbesondere gefragt, ob der Argumentation der ÖBB zu folgen sei und für die ersatzweise Anmietung von Lokomotiven angefallene Kosten in derartigen Schadensfällen dem Infrastrukturbetreiber anzulasten seien. Zusätzlich begehrte der Oberste Gerichtshof die Auskunft, ob die betroffenen Vertragsparteien ihre Haftung wirksam durch entsprechende Verträge erweitern können, selbst wenn es nach dem CUI zu einem Haftungsausschluss kommt. Der EuGH bejahte die erste Frage, erklärte sich für zuständig und verneinte die zweite Frage. Dementsprechend kann das Eisenbahnverkehrsunternehmen, die für die ersatzweise Anmietung angefallenen Kosten während der Dauer der Reparatur der beschädigten Lokomotiven, nicht dem Infrastrukturbetreiber anlasten. Der EuGH kam weiters zu dem Ergebnis, dass es den Vertragsparteien unbenommen bliebe durch entsprechende vertragliche Vereinbarung hiervon abzuweichen und den Haftungsmaßstab entsprechend zu erweitern.
Der Akt geht nun an den Obersten Gerichtshof zurück. Dieser muss das vorliegende EuGH Urteil umsetzen bzw. die Angelegenheit an das Handelsgericht Wien zur neuerlichen Entscheidung weiterleiten. Dort muss nun geklärt werden, ob die Parteien im gegenständlichen Fall den Haftungsmaßstab erweitern wollten, oder ob es beim Ausschluss der Haftung bleibt.
Rechtlich beraten wird die ÖBB von LGP Lawyers, dort Dr. Julia Andras (Partnerin) / Mag. Valentin Neuser (Partner) / Dr. Alexander Egger.