Im Frühjahr 2019 wurden vom europäischen Gesetzgeber die Digitale Inhalte-Richtlinie ([EU] 2019/770) und Warenkauf-Richtlinie ([EU] 2019/771) verabschiedet. Während mit der Digitale Inhalte-Richtlinie auf europäischer Ebene Neuland betreten wird, ersetzt die Warenkauf-Richtlinie die bisherige Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (1999/44/EG). Damit wurde ein neues europäisches Verbraucher-Gewährleistungsrecht geschaffen, das ab 2022 anwendbar sein wird.
Das in Österreich vor kurzem beschlossene Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (GRUG) setzt die EU-Richtlinien Warenkauf 2019/771 und Digitale Inhalte 2019/770 um und reformiert das österreichische Gewährleistungsrecht. Die neue Rechtslage ist auf Verträge anzuwenden, die ab 1.1.2022 abgeschlossen werden. Wir stellen die wesentlichen Neuerungen im Überblick dar.
Zwei Highlights im Verbrauchergewährleistungsgesetz
1. Update-Pflicht für digitale Leistungen
Für digitale Leistungen und Waren mit digitalen Elementen (z.B. Smartphone, Smart-TV, Smartwatch) wird eine Aktualisierungspflicht eingeführt. Für befristete Verträge (etwa einer Software) gilt diese für die gesamte Vertragsdauer, bei einmaliger Bereitstellung oder unbefristeten Verträgen müssen Verkäufer aktualisieren, solange dies der Erwartungshaltung von Verbraucher/innen entspricht. Die Verkäufer müssen in Erfüllung seiner Aktualisierungspflicht dem Verbraucher/der Verbraucherin die erforderlichen Updates zur Verfügung stellen. Aber: installieren Verbraucher das zur Verfügung gestellte Update nicht in angemessener Frist, haftet der Unternehmer nicht für Mängel, die alleine darauf zurückzuführen sind, sofern er den Verbraucher über das Update und die Folgen einer Nicht-Installation informiert hat und keine mangelhafte Installationsanleitung vorliegt.
2. Vermutungsfrist beträgt 1 Jahr
Ein Gewährleistungsanspruch besteht grundsätzlich (eine Ausnahme bildet etwa die fehlerhafte Aktualisierung, die naturgemäß nach dem Kauf erfolgt) wie bisher nur für Mängel, die schon bei der Übergabe des Produkts bestehen, auch wenn sie erst später erkennbar sind. Nur, wie beweist man, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden war? Derzeit gibt es eine Vermutungsfrist von 6 Monaten, d.h. bei Mängeln, die innerhalb von sechs Monaten erkannt werden, muss der Verkäufer beweisen, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe nicht bestanden hat.
Gesetzliche Grundlagen
- für Verträge über den Kauf von Waren (= bewegliche körperliche Sachen) einschließlich solcher, die erst herzustellen sind (Werklieferungsverträge), und
- für Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen (= digitale Inhalte und Dienstleistungen). Letztere fallen auch dann unter das VGG, wenn die Gegenleistung nicht in einer Zahlung, sondern in einer sonstigen Gegenleistung, insb auch der Überlassung personenbezogener Daten, besteht (§ 1 Abs 1 VGG).
- Ausnahmen betreffen den Kauf von Tieren, Finanz-, Gesundheits- und Glückspieldienstleistungen sowie den Verkauf im Rahmen der Zwangsvollstreckung (§ 1 Abs 2 VGG).
Für alle sonstigen Verträge gilt das ABGB (§§ 924 ff), dh insbesondere für
- Verträge über unbewegliche Sachen (zB Haus-, Wohnungskauf),
- Tauschverträge über körperliche Sachen,
- Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen (reine Werkverträge).
Damit ist für ab 1.1.2022 geschlossene Verträge jeweils eine genaue Abgrenzung erforderlich, ob das VGG oder das ABGB anwendbar ist. Unterschiede zwischen den beiden Regimen betreffen vor allem den objektiveren Mangelbegriff und qualifizierten Abbedingungsmechanismus sowie die längere Vermutungsfrist im VGG.
Die Gewährleistung ist zugunsten des Verbrauchers relativ zwingend und kann vor Kenntnis des Mangels nicht durch Vereinbarungen zu seinem Nachteil abgeändert werden (§ 3 VGG, § 9 KSchG).