Ergänzungsjudikatur zur 1. LawReview
Die erste RechtEasy Law Review stand unter dem Titel “OGH zum fremdhändigen Testament – lose Blätter reichen nicht“. Der OGH hat damals festgestellt, dass ein loses mehrseitiges fremdhändiges Testament nicht den Formerfordernissen genüge. Der interessierte Leser kann die entsprechende Law Review hier nachlesen.
Der OGH hat nunmehr in dem Judikat 2Ob4/21h erneut zur Formvorschrift eines Testaments entschieden.
Sachverhalt
In der ergangenen Judikatur stehen sich die Tochter des Erblassers als Erstantragstellerin sowie drei Enkel des Erblassers als Zweit- bis Viertantragsteller gegenüber. Aufgrund eines fremdhändigen Testaments (datiert mit 10. Juli 2018) gaben die Enkel eine Erbantrittserklärung zu je einem Drittel ab. Die Tochter gab aufgrund des Gesetzes eine Erbantrittserklärung zu einem Drittel ab.
Strittig ist die Formgültigkeit des Testaments. Dies besteht aus zwei genähten Blättern. Auf dem ersten Blatt findet sich die Verfügung zugunsten der Enkel sowie eine handschriftliche Nuncupatio und die Unterschrift des Erblassers. Auf dem zweiten Blatt steht:
„Mit nachstehender Unterschrift bestätigen wir, die ersuchten Testamentszeugen, dass der Testator in unserer gleichzeitigen und ununterbrochenen Anwesenheit den vorstehenden Zusatz eigenhändig geschrieben und die letztwillige Verfügung sodann eigenhändig unterschrieben hat.“
Darunter finden sich die Unterschriften der Testamentszeugen sowie der Zeugenzusatz.
Nach zwei Vorbesprechungen schickte der Notar dem Erblasser einen Entwurf des Testaments. Am Tag der Errichtung fügte die Sekretärin das Datum mit der Schreibmaschine ein. Anschließend sind die Blätter mit einer Dokumentenschiene verbunden worden. Im Besprechungszimmer nahm der Notar die einzelnen Blätter aus der Dokumentenschiene und besprach mit dem Erblasser noch einmal dessen letzten Willen. Der Notar rief danach zwei (weitere) Zeuginnen in das Besprechungszimmer und fragte den Testator erneut, ob das Testament seinem letzten Willen entsprach. Danach wurde das Testament vom Erblasser einerseits sowie den gerufenen Zeuginnen und des Notars (ebenfalls als Zeuge) unterzeichnet.
Die einzelnen Blätter wurden wieder mit der Dokumentenschiene verbunden. Der Notar gab nach Verlassen des Besprechungszimmer und hinausbegleiten des Testators seiner Sekretärin den Auftrag, das Testament sofort zu binden. Die Vorinstanzen konnten nicht feststellen, wieviel Zeit zwischen der Unterfertigung des Testamens und dem Binden verging. Jedenfalls wurde das Testament noch am Tag der Unterzeichnung gebunden. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Erblasser beim Binden des Testaments anwesend war.
Erbantrittserklärungen
Wie bereits eingangs erwähnt, stützt die Tochter des Erblassers ihre Erbantrittserklärung auf das Gesetz. Sie meint, dass das Testament nicht formgültig sei, da kein innerer Zusammenhang bestehe. Der äußere Zusammenhang ist erst nach Abschluss des Testieraktes hergestellt worden.
Die Enkel stützen ihre Erbantrittserklärung wiederum auf das Testament. Sie vertreten die Auffassung, dass die Sekretärin des Notars, das Testament unmittelbar nach den Unterschriften genäht habe und somit die äußere Urkundeneinheit uno actu mit dem Testiervorgang hergestellt worden sei. Sie begründen weiter, dass aufgrund eines formgültigen Testaments Zweifel zulasten desjenigen gehen, der die Gültigkeit bestreitet.
Erstgericht
Das Erstgericht hat die Erbantrittserklärung der Enkel abgewiesen und stellte das Erbrecht der Tochter zu einem Drittel des Nachlasses fest. Die Blätter müssen spätestens während des Testiervorganges verbunden werden. Dies war nicht der Fall.
Rekursgericht
Das Rekursgericht schloss sich dem Erstgericht an und teilte dessen Auffassung, dass die Verbindung der Blätter nicht mehr im Zuge der Testamentserrichtung hergestellt worden sei. Aufgrund der Rechtsprechung des OGH sei das Testament nicht formgültig. Es sprach weiter aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000,- übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei.
Außerordentlicher Revisionsrekurs
Im außerordentlichen Revisionsrekurs strebten die Enkel die Feststellung ihres Erbrechts sowie die Abweisung der Erbantrittserklärung der Tochter an. Ihrer Auffassung nach habe das Nähen des Testaments unmittelbar nach dem Leisten der Unterschrift ausgereicht. Laut ihrer Auffassung gingen Zweifel bezüglich des Geschehensablauf zulasten dessen, der sich auf die Ungültigkeit berufe.
Revisionsrekursbeantwortung
Die Tochter des letztwillig Verfügenden beantragte, das Rechtsmittel der Enkel zurückzuweisen und hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben. Aufgrund des Umstandes, dass die Urkundeneinheit erst nach Abschluss des Testiervorganges hergestellt worden ist, sei das Testament ungültig.
Entscheidung des OGH
Der OGH ließ den außerordentlichen Revisionsrekurs zu, da die Rechtsprechung des OGH zur Herstellung der Urkundeneinheit einer Präzisierung bedarf. Er ist auch berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt die äußere Urkundeneinheit bei einem fremdhändigen Testament nur vor, wenn die einzelnen Bestandteile derart miteinander verbunden sind, dass die Verbindung nur mit einer Zerstörung der Urkunde gelöst werden kann.
Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung muss die Urkundeneinheit “uno actu” mit dem Testiervorgang einhergehen. Dies ist beispielsweiße dann nicht gegeben, wenn das Testament bei einer Auswärtshandlung des Notars auf unverbundenen Blättern errichtet wird und erst später in der Kanzlei gebunden werden. Hierbei reicht es auch nicht aus, wenn der Notar bei Ankunft im Notariat das Testament sofort dem Sekretariat zum Binden übergibt (so zB 2Ob218/19a).
Ausreichend ist es demgegenüber, wenn die Verbindung unmittelbar im Anschluss an die Unterfertigung durch den Erblasser und die Zeugen geschieht (so in 2Ob141/20d). Das Erfordernis des Herstellens einer Verbindung “während” des Testiervorganges darf nicht dahingehend verstanden werden, dass die Verbindung schon bei Leistung der Unterschriften vorhanden sein müsste. Vielmehr genügt es, wenn die Verbindung in unmittelbarem Anschluss daran hergestellt wird.
Ist die äußere Urkundeneinheit unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften hergestellt, so ist von einem einheitlichen Testiervorgang auszugehen. Der Vorgang ist mit dieser Herstellung beendet. Das gilt auch, wenn der letztwillig Verfügende zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugegen ist.
Besteht für den Testator keine Bedenken, dass die Verbindung im unmittelbarem Anschluss erfolgte und wurde dies auch so umgesetzt, so würde eine Anwesenheitserfordernis jegliche strenge nach dem Zweck der erbrechtlichen Formvorschriften überspannen. Das Austauschen von Blättern in diesem Fall unabhängig von sonstigen Umständen des Einzelfall ist praktisch ausgeschlossen.
Wird die rechtzeitige Herstellung der äußeren Urkundeneinheit bei einer äußerlich der Form entsprechenden letztwilligen Verfügung bestritten, so trifft die Beweislast für den Formmangel jene Partei, die ihn behauptet. Genau dieser Beweis ist in dem vorliegenden Fall jedoch nicht gelungen. Es ist davon auszugehen, dass das Testament unmittelbar nach der Unterschriftleistung gebunden wurde (in diesem Fall unter der nicht erforderlichen Anwesenheit des Erblassers).
Der Revisionsrekurs hatte somit Erfolg und das Erbrecht der Enkel war aufgrund des Testaments vom 10. Juli 2018 zu je einem Drittel des Nachlasses festzustellen; die Erbantrittserklärung der Tochter dementsprechend abzuweisen.
Conclusio
In der vorliegenden Entscheidung präzisiert der OGH die Formvorschriften für das fremdhändige Testament. Wird das Testament unmittelbar nach Unterschriftleistung fest verbunden, so schadet das nicht. Anwesenheit des Testators bei Verbinden der einzelnen Blätter ist nicht erforderlich. Es handelt sich um eine spannende Judikatur, welche die wichtigen Formvorschriften im Erbrecht präzisiert.
Ich darf zum Schluss erneut darauf hinweisen, dass die vorliegenden Entscheidung im Zusammenhang mit der 1. RechtEasy Law Review gelesen werden kann.
OGH zum fremdhändigen Testament – lose Blätter reichen nicht