OGH zu Pfau am Nachbargrund: Daran muss man sich nicht gewöhnen

Bereits in der 2. RechtEasy Law Review habe ich über eine Judikatur des OGH geschrieben, in der man sich gewisse ortsübliche Immissionen des Nachbarn gefallen lassen muss. In der damals geschriebenen Law Review ging es um die Beleuchtung eines Swimmingpools, welche auf das Nachbargrundstück geleuchtet hat. Der OGH entschied, dass man sich dies gefallen lassen muss, wenn man sich mit einer vorhandenen Jalousie Abhilfe schaffen kann. Diese RechtEasy Law Review finden Sie hier.

Nunmehr möchte ich über eine Judikatur (4 Ob 64/20w) schreiben, in der es erneut um nachbarrechtliche Immissionen geht. Das nachstehende Judikat wird sich allerdings im Ergebnis von der “Pool-Rechtsprechung” des OGH unterscheiden.

Ausgangssachverhalt

Die Streitparteien sind Grundstücksnachbarn. Auf den jeweiligen Grundstücken befinden sich Einfamilienhäuser. Der Beklagte hält an der Grundstücksgrenze Schweine, Hasen, zwei Hähne, sechs Hennen, zwei Gänse und eine Ente. Die Tiere werden in einem eingezäunten Bereich von ca 300 m² gehalten. Zusätzlich hält der Beklagte seit etwa zehn Jahren auch Pfaue, allerdings sind die ersten zwei oder drei Tiere davongeflogen. Seit nunmehr acht Jahren hält der Beklagte einen männlichen und einen weiblichen Pfau.

Klagebegehren

Die Pfaue dringen auf das Grundstück des Klägers und entwickeln einen nicht ortsüblichen Lärm. Der Kläger begehrt vom Beklagten dies zu unterlassen.

Prozessverlauf

Die Vorinstanzen gaben beiden Unterlassungsbegehren statt. Das Berufungsgericht sprach über den Abänderungsantrag des Beklagten aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es bestehe keine gesicherte Rechtsprechung über die Frage, ob mangels Einbringung einer Unterlassungsklage eine ortsunübliche Immission nach Ablauf von drei Jahren vom Betroffenen der Störung hinzunehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig. Das Gericht verweist auf § 510 Abs 3 ZPO. Demnach kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Klage nach § 364 Abs 2 ABGB ist ein Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage iSd § 523 ABGB. Der Eigentümer eines Grundstücks kann dem Nachbarn nach § 364 Abs 2 ABGB die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen untersagen, wenn das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten wird und die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird. Darunter fallen Immissionen wie z.B. Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Erschütterungen und auch Geräusche.

Der OGH führte aus, dass die ältere Rechtsansicht, nämlich dass schon das bloße mehrjährige unbeanstandete Hinnehmen einer Immissionsbeeinträchtigung durch den Nachbarn, die nicht rechtzeitig abgewehrten Einwirkungen ortsüblich machen, von der jüngeren Rechtsprechung abgelehnt wird.

Die “örtlichen Verhältnisse” sind weiträumig zu verstehen. Darunter sind Gebiets- bzw. Stadtteile mit annähernd gleichen Lebens- und Umweltbedingungen zu verstehen. Für die Beurteilung der Immissionseinwirkungen müsste die Immissionsquelle demnach den Charakter der Gegend geprägt haben, so der OGH.

In 3 Ob 201/99a sprach der OGH aus, dass eine Beanstandung nicht bloß in der Einbringung einer Unterlassungsklage, sondern in jeder Erklärung liegt, die dem Eigentümer der von der Immission betroffenen Liegenschaft zurechenbar ist und dem Verursacher der Immission bekanntgegeben wird. Es muss zum Ausdruck kommen, dass der Liegenschaftseigentümer die Immissionseinwirkung nicht hinnehmen wird.

Es entspricht der jüngeren Rechtsprechung, dass von einer jahrelangen widerspruchslosen Hinnahme dann nicht gesprochen werden kann, wenn im Laufe der Jahre vergebliche eine Gesprächsbasis gesucht wurde.

Aus der Haltung von Pfauen und deren Geräuschentwicklung lässt sich nicht ableiten, dass es den Charakter der Gegend geprägt hätte. Es steht ebenso fest, dass sich der Kläger sowie seine Mieterin seit ihrem Einzug vor acht Jahren über den Lärm beschwert hatten.

Aufgrund der Umstände, dass schon mangels prägenden Charakters sowie mangels widerspruchsloser Hinnahme der Lärmemissionen durch die Pfaue deren Ortsüblichkeit von den Vorinstanzen vertretbar verneint wurde, kommt es auf die Zulassungsfrage nicht an. Die Revision zeigt auch sonst weder erhebliche Rechtsmängel, noch erhebliche Rechtsfragen auf, so der Oberste Gerichtshof.

Das Erstgericht hat einerseits die – nach entsprechender Ö-Norm-Planungsrichtwerte übersteigende – Maximalwerte der Pfauenschreie in Dezibel gemessen und andererseits auch die Art und Häufigkeit der Schreie festgestellt.

Die Frage der Beurteilung der Ortsüblichkeit der Immission ist nicht rein nach empirischen Ergebnissen, sondern auch anhand vorhandener Wertungen zu überprüfen. Die Ortsüblichkeit ist damit ein wertungsabhängiger Begriff. Daraus ergibt sich, dass bei der Beurteilung der Beeinträchtigung nicht nur die objektiv messbare Lautstärke, sondern auch die subjektive Lästigkeit maßgebend sind. Für die Lästigkeit sind vor allem die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart entscheidend.

Laut OGH hätte der Beklagte durch Erhöhung des Zaunes oder durch ein Stutzen der Bäume im Gehege das Ausbrechen der Pfaue verhindern können. Die Pfaue des Beklagten sind deshalb als “beherrschbar” anzusehen.

Der OGH stellte abschließend fest, dass es der Rechtsprechung entspricht, dass bei Lärmimmissionen ein auf Untersagen ortsunüblicher und das zumutbare Maß übersteigender Emissionen gerichtetes Klagebegehren zulässig und auch ohne Angaben von Dezibel-Messeinheiten hinreichend bestimmt ist.

Conclusio

In dieser Judikatur des OGH sieht man, dass es im Recht auf den Einzelfall ankommt. In der bereits zitierten RechtEasy Law Review über die Immission einer Poolbeleuchtung hat der OGH entschieden, dass diese zu dulden sind und man sich mit Jalousien Abhilfe schaffen kann. Bei der nunmehr beschriebenen Judikatur sieht der OGH das Klagebegehren des Klägers über die Schreie und das Eindringen der Pfaue auf das Grundstück des Klägers als zurecht an.

Man sieht hier, dass kein Fall dem anderen gleicht, auch wenn es in beiden Fällen um Immissionen und deren Unterlassung geht. Das Recht ist eben gerade kein starres System. Das Gesetz ist abstrakt und gerade das macht es aus, um in jedem Fall auf seine individuellen Gegebenheiten eingehen zu können.

 

 

 

 

 

 

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