Patient:innenrechte im Maßnahmenvollzug fehlen

Zum Internationalen Tag der Menschenrechte fordert VertretungsNetz Patientenanwält:innen für psychisch erkrankte Straftäter:innen

  • Auch wenn jemand aus Angst vor Konsequenzen einer Behandlung scheinbar zustimmt, handelt es sich um eine ZwangsmaßnahmeBernhard Rappert, Fachbereichsleiter Patientenanwaltschaft, VertretungsNetz1/2
  • Inhaftierte Personen mit psychischer Erkrankung haben derzeit aber niemanden, der ihre Patient:innenrechte einfordert und sie gegenüber der Einrichtung vertritt, in der sie untergebracht sind. Niemand überprüft, ob die gesetzten Freiheitsbeschränkungen rechtmäßig sind. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir Patientenanwält:innen auch im Maßnahmenvollzug tätig werden können.Bernhard Rappert, Fachbereichsleiter Patientenanwaltschaft, VertretungsNetz2/2

Wien (OTS) – Mit dem Erwachsenenschutzgesetz wurde vor einigen Jahren neu geregelt, wie bei medizinischen Behandlungen vorzugehen ist, wenn der oder die Betroffene nicht entscheidungsfähig ist, z.B. aufgrund einer psychischen oder intellektuellen Beeinträchtigung. Ärzt:innen müssen sich nun aktiv bemühen, Patient:innen in Bezug auf die Behandlung so aufzuklären, dass diese selbst entscheiden können.

2023 tritt die Novelle des Unterbringungsgesetzes in Kraft, das für Menschen gilt, die auf einer psychiatrischen Abteilung im Krankenhaus gegen oder ohne ihren Willen untergebracht sind. Auch hier hat der Gesetzgeber Patient:innenrechte gestärkt. Die Botschaft in beiden Gesetzen ist klar: Auch wer nicht entscheidungsfähig ist, kann einen Willen bilden. Dieser soll berücksichtigt und einbezogen werden.

Zwangsbehandlungen ohne Rechtsschutz

Straftäter:innen mit psychischer Erkrankung, die im Maßnahmenvollzug untergebracht sind, warten jedoch weiter auf Rechtsschutz. Behandlungen sind zwar gesetzlich geregelt: Vor jeder Zwangsbehandlung müsste die Genehmigung des Justizministeriums eingeholt werden. Bei fehlender Entscheidungsfähigkeit müsste zudem die/der Erwachsenenvertreter:in eingebunden werden. In der Praxis läuft es aber oft anders.

Klient:innen, die im Maßnahmenvollzug untergebracht sind und bei VertretungsNetz eine Erwachsenenvertretung haben, berichten, dass ihnen klar zu verstehen gegeben wird: Falls sie einer Behandlung nicht zustimmen, haben sie keine Aussicht auf Lockerungen im Vollzug und bleiben schlimmstenfalls lebenslang untergebracht. Auf diese Weise zwingt man sie z.B. zu Depotspritzen oder zur Einnahme von antiandrogenen Wirkstoffen, die männliche Sexualhormone blockieren. Manche Einrichtungen verweigern Erwachsenenvertreter:innen auch die Einsicht in Behandlungspläne oder Medikamentenlisten.

„Auch wenn jemand aus Angst vor Konsequenzen einer Behandlung scheinbar zustimmt, handelt es sich um eine Zwangsmaßnahme“, stellt Bernhard Rappert, Fachbereichsleiter Patientenanwaltschaft bei VertretungsNetz, klar. „Inhaftierte Personen mit psychischer Erkrankung haben derzeit aber niemanden, der ihre Patient:innenrechte einfordert und sie gegenüber der Einrichtung vertritt, in der sie untergebracht sind. Niemand überprüft, ob die gesetzten Freiheitsbeschränkungen rechtmäßig sind. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir Patientenanwält:innen auch im Maßnahmenvollzug tätig werden können.“ Dafür braucht es dringend eine Reform der Bestimmungen zum Vollzug und damit auch zur Behandlung im Maßnahmenvollzug.

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