Wien (OTS) – Als ethische Kontrollinstanz der Medienbranche befasst sich der Presserat derzeit mit mehreren Beschwerden, in denen aufgrund der aktuellen politischen Vorkommnisse die Beeinflussung der Medien durch Inserate der Politik kritisiert wird. Die drei Senate des Presserats nehmen dies zum Anlass, eine gemeinsame Stellungnahme zu veröffentlichen.
In der Demokratie nehmen unabhängige Medien eine für die Allgemeinheit essentielle Aufgabe wahr: Sie kontrollieren die Mächtigen in Politik und Gesellschaft und informieren über relevante aktuelle Ereignisse und Missstände, damit sich die Bürgerinnen und Bürger ein eigenes Bild machen können. Gefälschte oder geschönte Berichte gefährden unsere freie Gesellschaft, da dadurch die Meinungsbildung der Bevölkerung manipuliert wird. Beeinflusste Berichterstattung steht auch in diametralem Widerspruch zur Pressefreiheit, einem demokratischen Grundpfeiler unseres Landes. Gekaufter Journalismus ist daher ein absolutes Tabu – das ist auch im Ehrenkodex des Österreichischen Presserats so verankert. Für die Glaubwürdigkeit der Medien ist es entscheidend, dass die Chefredaktionen jeglichen Versuch der Beeinflussung von außen vehement abwehren.
Nach der ständigen Entscheidungspraxis des Presserats verstoßen Einflussnahmen von außen auf die Berichterstattung gegen das journalistische Ethos. Die meisten Entscheidungen in diesem Kontext beziehen sich auf Gefälligkeitsberichterstattung zugunsten von Unternehmen – mit anderen Worten auf Schleichwerbung (siehe zuletzt z.B. die Fälle 2019/284, 2020/191, 2020/333 und 2021/171). Im Jahr 2012 wurde vom Senat 1 aber auch ein Ethikverstoß wegen politischer Einflussnahme festgestellt: Im Zentrum stand eine vom Land Steiermark finanzierte Artikelserie, die sich nicht ausreichend vom Erscheinungsbild des redaktionellen Inhalts des betroffenen Mediums unterschied (Entscheidung 2012/99).
Der Presserat nimmt die politischen Ereignisse der letzten Tage auch zum Anlass, eine Neuregelung der österreichischen Presseförderung und Inseratenpolitik anzuregen. Die Senate verweisen auf den Standpunkt zahlreicher Expertinnen und Experten, wonach die Mitgliedschaft beim Presserat eine Grundbedingung für Presseförderung und die Vergabe von öffentlichen Inseraten sein sollte.
Der Presserat steht für Sauberkeit und verantwortungsvollen Journalismus. Im Hinblick auf ein Medientransparenzpaket ist eine Stärkung der Selbstkontrolle und Medienethik in Österreich unerlässlich. Auch reine Online-Medien sollten unter die Zuständigkeit des Presserats fallen. Die Mitglieder der Senate – die ihre Funktion ehrenamtlich ausüben – weisen zudem darauf hin, dass der Finanzierungsbedarf der Geschäftsstelle des Presserats abzusichern ist. Während die Presseförderung für den Presserat in Höhe von 150.000 Euro pro Jahr seit 2010 nicht erhöht wurde, ist die Fallzahl kontinuierlich gestiegen. Für das Jahr 2020 konnte eine neue Rekordzahl von 418 Fällen erreicht werden, die dieses Jahr – mit bisher 473 Fällen – noch überboten wird (im Vergleich dazu die Fallzahl von 2019: 297). Allein wegen der Terrorattacke in Wien langten 1500 Beschwerden beim Presserat ein. Die Bedeutung des Presserats als „Medien-Watchdog“ und dessen zunehmende Bekanntheit als Beschwerdestelle erfordert entsprechende Maßnahmen, um seine Funktionsfähigkeit auch in Zukunft zu gewährleisten.