Versicherungsvertragsrecht: Zur Auslegung des Begriffs „unter Erdniveau“ in der Leitungswasserversicherung

Ein Raum ist dann unter Erdniveau, wenn dessen Fußboden niedriger liegt, als das Gelände um das Gebäude.

Das Hotel der Klägerin weist ein Obergeschoß (OG), ein Erdgeschoß (EG) und fünf Untergeschoße (UG) auf. Es ist in steiler Hanglage errichtet, sodass die ostseitige Längsseite des Gebäudes im Bereich der fünf UG und die beiden Schmalseiten des Hotels dem Geländeverlauf folgend, in den Hang gebaut sind, wogegen die dem Hang abgewandte Westseite in allen Geschoßen freisteht. Am 27. Mai 2018 kam es im hangseitigen Lüftungsraum des fünften UG zu einem Wasserschaden. Dabei ergoss sich das Wasser massiv, ähnlich eines Baches, über das fünfte UG und floss im Wege der westseitigen Gebäudeöffnungen hangabwärts ab. In einem auf dieser Ebene befindlichen Lager waren zahlreiche Gegenstände der Klägerin unmittelbar auf dem Boden in Schachteln gelagert. Diese Waren wurden durch das Wasser beschädigt.

Die Klägerin begehrt Zahlung von 7.304,20 EUR für die beschädigten Waren. Der beklagte Versicherer wendet ein, in dem unter Erdniveau befindlichen fünften UG seien die Waren nicht mindestens 12 cm über dem Fußboden gelagert worden, weshalb er leistungsfrei sei.

Nach den anzuwendenden Versicherungsbedingungen müssen Waren, die unter Erdniveau aufbewahrt werden, mindestens 12 cm über dem Fußboden gelagert werden. Der mit der Klausel verfolgte Zweck liegt ersichtlich darin, die höhere Schadensneigung im Rahmen einer Leitungswasserversicherung bei in tiefer gelegenen Gebäudeteilen situierten Waren zu reduzieren, sammelt sich doch Wasser grundsätzlich dem Gesetz der Schwerkraft folgend in den unteren Bereichen an und kann dort nur langsamer oder gar nicht ablaufen. Demzufolge ist ein Raum dann unter Erdniveau, wenn dessen Fußboden niedriger liegt, als das Gelände um das Gebäude. Da im vorliegenden Fall das Fußbodenniveau des fünften UG auf der gesamten Vorderseite über Erdniveau situiert ist und das Wasser im Wege der westseitigen Gebäudeöffnungen ungehindert abfließen konnte, liegt keine Obliegenheitsverletzung der Klägerin vor. Die Beklagte ist daher zur Deckung des Schadens verpflichtet.

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