Gutschein statt Geld: Veranstalter wollte pandemiebedingte Sonderregeln unzulässig ausweiten
Wien (OTS) – Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Barracuda Music GmbH wegen mehrerer Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) geklagt. Die beanstandeten Bestimmungen betreffen vor allem die Absage von Veranstaltungen. Unter anderem möchte Barracuda Music nicht nur beim Ausfall von Veranstaltungen aufgrund der COVID-19-Pandemie, sondern auch in sonstigen Fällen höherer Gewalt, Gutscheine anstelle von Geld an die Kundinnen und Kunden ausgeben können. Das Handelsgericht (HG) Wien gab jetzt der Klage des VKI zu fünf Klauseln statt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Eine der vom HG Wien verworfenen Klauseln besagte, dass Terminänderungen aufgrund der Covid‑19‑Pandemie (oder anderer Fälle höherer Gewalt) dann geringfügig und somit zumutbar seien, wenn der neue Veranstaltungstermin nicht länger als 18 Monate nach dem ursprünglichen Termin liegt. Barracuda Music räumt sich damit ein einseitiges Leistungsänderungsrecht ein. Um die vertragliche Leistung im Falle einer Terminverschiebung konsumieren zu können, müssten sich Verbraucher also über einen Zeitraum von insgesamt eineinhalb Jahren in Bereitschaft halten. Eine solche einseitige Ersetzungsbefugnis des Unternehmens, durch die Kunden an einen beliebigen Ersatztermin in den folgenden 18 Monaten gebunden werden können, ist weder geringfügig noch sachlich gerechtfertigt oder zumutbar. Die Klausel ist daher gesetzwidrig.
Eine andere Bestimmung sah vor, dass für „Veranstaltungen, die aufgrund der Covid-19-Pandemie oder sonstiger Fälle höherer Gewalt entfallen“, den Kunden anstelle der Rückzahlung des Ticketpreises ein Gutschein ausgestellt wird. Zwar ermöglicht das Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes (KuKuSpoSiG) dem Veranstalter bei Ausfall einer Veranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie, bis zu einem bestimmten Betrag einen Gutschein anstelle des Eintrittspreises auszugeben. Barracuda Music möchte dies jedoch auch auf sonstige Fälle höherer Gewalt ausdehnen. Dem erteilt das HG Wien eine deutliche Abfuhr: Es besteht keine ausreichende Rechtfertigung für die vertragliche Erstreckung der Gutscheinlösung auf sämtliche Fälle höherer Gewalt. Die Ausweitung auf sonstige Fälle höherer Gewalt ist nicht vom Zweck des KuKuSpoSiG umfasst. Die Klausel ist gröblich benachteiligend.
Ebenfalls für unzulässig erklärt wurde eine Klausel, nach der „im Falle einer Refundierung allfällige Gebühren nicht rückerstattet werden können“. Diese Klausel erfasst nach ihrem Wortlaut auch Fälle, bei denen die Nichtdurchführung der Veranstaltung ausschließlich von Barracuda Music verschuldet ist. Dies lässt sich sachlich nicht rechtfertigen, sodass die Klausel ebenfalls gröblich benachteiligend ist. Zudem widerspricht sie dem KuKuSpoSiG, wonach eine Verrechnung allfälliger Gebühren für die Ausstellung oder Zusendung eines Ersatzgutscheins nicht erlaubt ist.
In einem Punkt wurde die Klage des VKI abgewiesen: Dabei ging es darum, dass Barracuda auf der Homepage mitteilte, dass aufgrund der „aktuellen Planungsunsicherheit“ und der „noch unsicheren Pandemielage nach dem Sommer 2021“ die Apache-Tour erneut verschoben werden musste. Apache 207 ist ein deutscher Rapper. Den VKI hatte dazu die Beschwerde einer Konsumentin erreicht, die eine Rückerstattung des Ticketpreises forderte. Barracuda verweigerte dies und verwies auf die Gutscheinlösung im KuKuSpoSiG. Bei dieser Veröffentlichung auf der Homepage handelt es sich nach Ansicht des HG Wien nicht um eine Vertragsbedingung, sondern um eine bloße Information, sodass der VKI keine Verbandsklagsbefugnis dagegen hat. Mit dem Inhalt dieser „Information“ setzte sich das Gericht dann nicht mehr auseinander.
„Das anlässlich der Covid-19-Pandemie erschaffene KuKuSpoSiG weicht ohnehin bereits zu Lasten der Kundinnen und Kunden vom allgemeinen österreichischen Zivilrecht ab. Dass es hier auch noch benutzt wird, um im Falle einer Planungsunsicherheit oder unsicheren Pandemielage Veranstaltungen abzusagen und Verbraucherinnen und Verbraucher mit Gutscheinen zu vertrösten, geht aus unserer Sicht wirklich zu weit. Schade, dass sich das Gericht inhaltlich – in dem ansonsten sehr erfreulichen Urteil – nicht damit auseinandergesetzt hat“, kommentiert Dr. Beate Gelbmann, Leiterin der Abteilung Klagen das Urteil.
SERVICE: Das Urteil im Volltext gibt es auf www.verbraucherrecht.at/barracuda072022.