Höchstgericht bestätigt erstmals irreführende Geschäftspraktik, wenn ein Rabatt nach Beendigung eines befristeten Sonderangebotes ohnehin gewährt wird
Wien (OTS/VKI) – In einem im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) bejahte der Oberste Gerichtshof (OGH) erstmals das Vorliegen einer irreführenden Werbung, wenn ein beworbener Rabatt nach Ablauf des befristeten Sonderangebots ohnehin gewährt wird. Im konkreten Anlassfall wurde das Verfahren zurück an das erstinstanzliche Gericht verwiesen, weil noch Tatsachenfeststellungen zu den Tarifmodellen der beklagten T-Mobile Austria GmbH (zu der unter anderem die Marke Magenta gehört) fehlten. Bereits in der zweiten Instanz wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Wien rechtskräftig darüber entschieden, dass die blickfangartige Werbung mit dem Wort „gratis“ irreführend ist, wenn in Wahrheit auch eine Servicepauschale und ein Aktivierungsentgelt zu zahlen sind, darauf aber nicht ausreichend deutlich hingewiesen wird.
T-Mobile bewarb im Oktober 2019 Glasfaser-Internet unter anderem mit „Jetzt gratis bis Jahresende“. Demnach sollte die monatliche Grundgebühr bis Jahresende für Neubestellungen bis 28.10.2019 wegfallen. Der VKI brachte vor, dass das Unternehmen nach dem Ende dieser Aktion weiterhin für Neuverträge in den ersten drei Monaten keine Grundgebühr verrechnete und monierte, dass die ursprüngliche Werbung damit irreführend war.
Der OGH führt nun dazu aus, dass bei einer zeitlichen Befristung eines Sonderangebots eine Irreführung vorliegt, wenn das Angebot nach Ende der Befristung weiter gewährt wird. Mit dem Text „Jetzt bis Jahresende“ wird der Eindruck erweckt, dass es sich um eine besonders günstige Gelegenheit für einen Vertragsabschluss handle, folglich die beworbene Aktion bessere Konditionen biete als frühere oder spätere Vertragsabschlüsse. Eine Werbung mit einem scheinbar zeitlich befristeten Sonderangebot ist geeignet, Kunden zu einem rascheren Anbieterwechsel zu bewegen, sogar zu einem Wechsel vor Ablauf der Bindungsfrist mit dem bisherigen Anbieter. Der irreführende Charakter einer Geschäftspraxis hängt allein davon ab, dass sie unwahr ist, weil sie falsche Angaben enthält. Für die Irreführung reicht es aus, wenn die Ankündigung beim Publikum den unrichtigen Eindruck eines befristeten Angebots erwecken konnte. Auch unverschuldet objektiv unrichtige Angaben sind demnach irreführende Angaben.
„Der Oberste Gerichtshof hat hiermit nun erstmals ausgesprochen, dass bei einem für einen begrenzten Zeitraum angekündigten Preisvorteil eine Irreführung vorliegt, wenn dieser Preisvorteil weiterhin gewährt wird. Er bezeichnet hier seine alte Rechtsprechung, wonach in der bloßen Beibehaltung des günstigeren Preises nach Ende des angekündigten Sonderverkaufs keine relevante Irreführung des Publikums vorliege, als überholt“, ergänzt Dr. Beate Gelbmann, Leiterin der Abteilung Klagen im VKI.
Weiters brachte der VKI vor, dass T-Mobile schon in der Vergangenheit für die ersten drei Monate nicht die „normale“ Grundgebühr verrechnete, sondern eine um 95 Prozent reduzierte, d.h. 9,99 Euro statt 199,99 Euro pro Monat. Dem OGH zufolge begeht ein Unternehmer eine irreführende Geschäftspraktik, wenn er Preise zunächst so festsetzt, dass ihm die generelle Gewährung und werbewirksame Ankündigung von Preisnachlässen möglich ist (sogenannte „Mondpreise“). In solchen Fällen wird eine Ersparnis in Aussicht gestellt, indem der Werbende einen Vergleich nicht mit realen, also früher regelmäßig verlangten Preisen, sondern mit überhöhten fiktiven Kalkulationsgrößen anstellt.
Im konkreten Verfahren muss das Erstgericht noch Feststellungen zu den Tarifmodellen von T-Mobile vor und nach dem Angebotszeitraum treffen.
Hingegen beurteilte das OLG Wien den Umstand, dass blickfangartig mit dem Wort „gratis“ geworben wurde, aber nur klein auf die Servicepauschale, ein Aktivierungsentgelt und die Mindestvertragsdauer hingewiesen wurde, bereits rechtskräftig als irreführende Geschäftspraktik.