Koordinierte Strategie zwischen Bund und Ländern fehlt
Wien (OTS) – „Österreich gehört zu den ersten Staaten, die die Istanbul-Konvention ratifiziert haben. Aber es gibt nach wie vor erhebliche Umsetzungsdefizite“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Vor allem fehlen zwischen Bund und Ländern koordinierte Strategien und ein bundesweiter Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.“ Die Einhaltung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wird von einem Komitee von internationalen Expert*innen (GREVIO, Group of Experts on action against violence against women and domestic violence) laufend überprüft. Beim letzten Österreich-Besuch hat GREVIO auch die Volksanwaltschaft als Nationales Menschenrechtsinstitut befragt. „Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung, und Österreich mit seiner erschreckend hohen Zahl an Femiziden hat noch viel zu tun, um sie zu verhindern“, so Achitz.
Weitreichende Verpflichtungen zu Gewaltprävention, Opferschutz und Strafverfolgung
Die Istanbul-Konvention trat 2014 in Kraft. Zentrale Zielgruppe aller darin enthaltenden Vorgaben sind alle heterosexuellen, lesbischen, bisexuellen Frauen und Mädchen sowie alle Personen, die sich als Frau identifizieren, zum Beispiel auch intergeschlechtliche und Trans- Frauen sowie nicht binäre Personen. Sie enthält weitreichende Verpflichtungen zur Gewaltprävention, zum Schutz von Opfern und zur wirksamen Strafverfolgung. Die Vorgaben betreffen unter anderem Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung, die Schaffung adäquater Hilfseinrichtungen, die strafgerichtliche Verfolgung von Gewalthandlungen und die Unterstützung von Opfern im Strafprozess.
In Österreich gibt es nach wie vor erhebliche Umsetzungsdefizite, nicht nur was Daten über die Gewalt gegen Frauen oder die Betreuung der Opfer betrifft. Vor allem fehlen zwischen Bund und Ländern koordinierte Strategien und ein bundesweiter Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Erhebliche Umsetzungsdefizite werden auch bei der Aus- und Weiterbildung von Berufsgruppen festgestellt, die mit Opfern oder Täter*innen von geschlechtsspezifischer Gewalt zu tun haben.
Besonders gefährdet: Frauen mit Behinderungen, Migrant*innen, Asylsuchende, wohnungslose Frauen, Transfrauen
„Mit gewaltpräventiven Methoden von der Stange lassen sich angesichts der Komplexität und unterschiedlichsten Risken in den Lebenswelten von Frauen und Mädchen keine Fortschritte erzielen. Barrieren beim Zugang zu Beratungs- und Schutzstrukturen müssen abgebaut werden“, so Volksanwalt Achitz: „Vor allem Frauen mit Behinderungen, Migrant*innen, Asylsuchende, wohnungslose Frauen, Transfrauen und Frauen ohne Papiere haben es besonders schwer, wirksamen Schutz vor Gewalt einzufordern.“ Auf deren Situation hat die Volksanwaltschaft auch mit der Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung „Eine von fünf“ im November aufmerksam gemacht. Achitz: „Sie brauchen ein umfassendes niedrigschwelliges und diskriminierungsfreies Hilfesystem, um zu ihrem Recht zu kommen – und wohl auch das Vertrauen, dass ihnen dort effektiv geholfen wird.“
Zum Nachschauen: „Doppelt benachteiligt? – Ein gewaltfreies Leben für ALLE Frauen!“
Die Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung „Eine von fünf“ wählte 2023 bewusst einen intersektionalen Zugang zum Thema „Gewalt an Frauen“. Expertinnen diskutierten, wie Frauen aus bestimmten gesellschaftlichen Gruppen von Gewalt betroffen sind. Funktionieren die vorhandenen Anlaufstellen für gewaltbetroffene Frauen für alle Frauen? Welche Angebote braucht es für die unterschiedlichen Communities?
Podiumsdiskussion mit Désirée Sandanasamy, Zara – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, Stefanie Stanković, Influencerin, Trans-Aktivistin und Make-Up-Artist, Danijela Cicvaric, Leiterin Romano Centro, Henriette Gschwendtner, Behindertenaktivistin, Armutsbetroffene. Moderation: Solmaz Khorsand, Journalistin und Autorin: http://tinyurl.com/2aukzbxc
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