Der Begriff „Annexkompetenz“ im österreichischen Recht bezeichnet die mit einer Hauptkompetenz verbundenen und für deren Ausführung notwendigen Nebenkompetenzen, die dem Gesetzgeber ermöglichen, Maßnahmen zu setzen, die nicht ausdrücklich in der Verfassung festgelegt sind, aber der Umsetzung der Hauptkompetenz dienen. Annexkompetenzen werden in der verfassungsrechtlichen Diskussion in Österreich als stillschweigende, mit einer Hauptkompetenz verbundene Aufgaben gesehen.
In Österreich sind Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geregelt, insbesondere in Art. 10 bis 15 B-VG. Annexkompetenzen kommen typischerweise dann ins Spiel, wenn eine Hauptkompetenz des Bundes oder eines Landes so interpretiert wird, dass sie zur sinnvollen und effektiven Ausübung auch zusätzliche Befugnisse umfasst, die nicht ausdrücklich in der Verfassung erwähnt werden.
Ein häufig zitiertes Beispiel für die Anwendung von Annexkompetenzen ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Handels- und Gewerbeordnung gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG. Obwohl die Verfassung hier primär wirtschaftliche Angelegenheiten betrifft, können Annexkompetenzen es dem Bund ermöglichen, auch verwandte soziale, arbeitsrechtliche oder umweltrechtliche Regelungen zu erlassen, soweit diese eine unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung der Hauptkompetenz darstellen.
Annexkompetenzen sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie eine flexible Ausübung der Kompetenzen ermöglichen und sicherstellen, dass die Organe des Bundes und der Länder die ihnen zugewiesenen Aufgaben effektiv wahrnehmen können. Allerdings darf die Anwendung der Annexkompetenz nicht dazu führen, dass die verfassungsmäßigen Kompetenzgrenzen umgangen oder aufgeweicht werden.
Es wird in der Rechtspraxis sowie der Lehre besonders darauf geachtet, dass Annexkompetenzen nicht dazu verwendet werden, um unzulässig in die Kompetenzen anderer Gebietskörperschaften einzugreifen. Die Auslegung, wann eine Annexkompetenz gerechtfertigt ist, erfordert eine genaue Prüfung und wird regelmäßigen Verfassungsdiskussionen unterzogen. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs spielt eine wichtige Rolle bei der Klärung von Streitigkeiten zur Reichweite von Annexkompetenzen.