Im österreichischen Recht bezeichnet der Begriff „Anwaltszwang“ die gesetzliche Verpflichtung, in bestimmten gerichtlichen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten zu werden. Dieser Zwang besteht vor allem in Verfahren vor den Zivilgerichten und in manchen Verfahren vor Verwaltungsgerichten. Ziel des Anwaltszwangs ist es, sicherzustellen, dass die Parteien kompetente rechtliche Vertretung haben und die Verfahren ordnungsgemäß abgewickelt werden können.
Im Zivilprozessrecht ist der Anwaltszwang insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Gemäß § 27 ZPO besteht in Verfahren vor den Landesgerichten und den Oberlandesgerichten grundsätzlich Anwaltszwang. Das bedeutet, dass Parteien in diesen Instanzen durch einen Rechtsanwalt vertreten sein müssen. Eine Ausnahme besteht vor den Bezirksgerichten, wo in der Regel kein Anwaltszwang herrscht, es sei denn, es handelt sich um besondere Verfahren, die dies vorsehen.
Im Verwaltungsrecht sieht das Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) zum Teil ebenfalls Anwaltszwang vor. Beispielsweise müssen Parteien in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch einen Rechtsanwalt vertreten sein.
Der Anwaltszwang dient mehreren Zwecken. Zum einen sollen die Parteien durch qualifizierte Rechtsvertretung geschützt werden, da juristische Verfahren oft komplex sind und juristisches Fachwissen erfordern. Zum anderen soll die Prozessökonomie gefördert werden, indem der Rechtsanwalt die relevanten Fakten und rechtlichen Argumente strukturieren und präsentieren kann, um das Gericht zu entlasten.
Es gibt jedoch auch Ausnahmen vom Anwaltszwang. In bestimmten Fällen kann das Gericht einer Partei gestatten, sich selbst zu vertreten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege liegt. Zudem besteht die Möglichkeit, bei Bedürftigkeit Verfahrenskostenhilfe zu beantragen, die die Bestellung eines Rechtsanwalts umfassen kann.
Insgesamt stellt der Anwaltszwang im österreichischen Recht ein Instrument dar, das die ordnungsgemäße Durchführung von gerichtlichen Verfahren gewährleisten und die Rechte der Parteien schützen soll, während es gleichzeitig der Professionalisierung und Effizienzsteigerung des Rechtswesens dient.