Der Eventualvorsatz (lat. dolus eventualis, auch Eventualdolus oder bedingter Vorsatz) ist ein Rechtsbegriff, der vor allem im Strafrecht verwendet wird.
Begriff
Der Begriff des Eventualvorsatzes ist notwendig, weil nur vorsätzliche, also gewollte Handlungen strafbar sein können. Fahrlässigkeit ist in vielen Rechtsordnungen nur bei Tatbeständen strafbar, für die dies ausdrücklich im Strafrecht festgehalten ist. Oft trifft man aber auf die Konstellation, dass ein Täter den Erfolg eigentlich gar nicht will, ihn aber als – möglicherweise sogar unerwünschte – Nebenwirkung seiner Handlung in Kauf nimmt. Dieses Inkaufnehmen der Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges wird Eventualvorsatz genannt. Allgemein herrscht Einigkeit, dass für die Strafbarkeit einer Tat Eventualvorsatz genügt. Auch für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit genügt als Vorsatz der bedingte Vorsatz.
Rechtsprechung und Lehre
- wenn der Täter den Taterfolg ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (Legaldefinition; vgl. § 5 Abs. 1 StGB: „Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.“)
Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit
Bei der bewussten Fahrlässigkeit kennt der Täter zwar die Gefahr, er vertraut aber (ernsthaft) darauf, dass nichts passieren wird. Beim Eventualvorsatz nimmt der Täter die Verwirklichung der Gefahr in Kauf. Anders gesagt: Bei bewusster Fahrlässigkeit sagt sich der Täter: „Es wird schon nichts passieren.“ Bei Eventualvorsatz sagt er sich dagegen: „Ich hoffe zwar, dass nichts passiert, falls aber doch, so geschieht es eben.“ Die Abgrenzung ist schwierig. Nebst der sachlichen Abgrenzungsschwierigkeit besteht in der Praxis noch die grundsätzliche Schwierigkeit, dass der Unterschied zwischen bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz lediglich in der inneren Haltung des Täters zur möglichen Verwirklichung der Gefahr besteht. Diese kann der Richter aber nicht kennen, er kann nur versuchen, von äußeren Umständen darauf zu schließen. Dies ist mit Blick auf die Unschuldsvermutung problematisch. Wie alle auslegungsbedürftigen Bestimmungen unterliegt auch diese Abgrenzung dem Wertewandel. Aktuell findet eine solche Entwicklung zum Beispiel im Straßenverkehrsrecht statt: So wurde früher bei tödlichen Unfällen praktisch immer auf Fahrlässigkeit erkannt, auch dann, wenn eine extreme Tempoüberschreitung die Ursache war („er vertraute darauf, dass das schon gut gehen wird“). Aktuell besteht ein Trend, in solchen Fällen vermehrt Eventualvorsatz anzunehmen („wer so fährt, der muss schlicht damit rechnen, dass etwas passiert, und kann sich nicht hinterher darauf berufen, er hätte nicht damit gerechnet“).
Eventualvorsätzlicher Versuch
Begrifflich ist auch ein eventualvorsätzlicher Versuch möglich, und in der Praxis wird tatsächlich oft darauf erkannt. So kann z. B. eine ungezielte Schussabgabe als eventualvorsätzlicher Tötungsversuch gewertet werden, da der Täter in Kauf nehmen musste, dass das Projektil zufällig jemanden treffen würde. Das Gericht hat bei dieser Bewertung einen sehr großen Interpretationsspielraum und eine Grenze ist kaum festzulegen. So könnte gerade bei Delikten gegen Leib und Leben so gut wie immer argumentiert werden, dass der Täter auch einen schlimmeren Ausgang in Kauf genommen habe, der nur rein zufällig nicht eingetreten sei. Wie weit diese Argumentation gehen kann, zeigt der folgende Fall aus Zürich: Ein mit dem Hepatitis-C-Virus angesteckter Mann hatte mit seiner Freundin zwischen Februar und April 2008 regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr. Sogar die Anklagebehörde ging davon aus, dass eine Infizierung durch vaginalen Geschlechtsverkehr gar nicht hätte erfolgen können, da Hepatitis C ausschließlich über Blut oder Analverkehr übertragen werde. Dennoch wurde der Angeklagte im November 2008 zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt, und zwar wegen mehrfachem untauglichem Versuch zur eventualvorsätzlichen Verbreitung menschlicher Krankheiten. Die Argumentation der Staatsanwaltschaft war, dass der Angeklagte als Laie eben nicht wusste, dass seine Handlungsweise ungefährlich war, und er somit subjektiv eine Ansteckung in Kauf nahm. Da eine solche nicht erfolgte, blieb es beim Versuch, und da sie durch den Geschlechtsverkehr auch gar nicht erfolgen konnte, war der Versuch untauglich. Das Urteil wurde per Strafbefehl gefällt. Da der Verurteilte auf eine Appellation verzichtete, wurde der Strafbefehl rechtskräftig. Es bleibt also offen, wie höhere Gerichtsinstanzen den Fall bewertet hätten.
Literatur
- Wolfgang Frisch: Offene Fragen des dolus eventualis, in NStZ 1991, S. 23ff.
- Thomas Hillenkamp: 32 Probleme aus dem Strafrecht Allgemeiner Teil, Heidelberg 1999 (1. Problem)
- Kristian Kühl: Strafrecht Allgemeiner Teil, München 2002 (§ 5 Rn 43 ff.)
- Morkel: Abgrenzung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Straftat, in NStZ 1981, S. 176ff.
- Ingeborg Puppe: Begriffskonzeptionen des dolus eventualis. In: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (GA), 153. Jg., 2006, S. 65–79.
- Claus Roxin: Strafrecht. Allgemeiner Teil. (Band 1). 3. Auflage. Beck Verlag, München 1997, ISBN 3-406-42507-0, S. 372–403.
- Schmidhäuser: Die Grenze zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Straftat; in: Juristische Schulung 1980, S. 241–252
- Johannes Wessels/Werner Beulke: Strafrecht Allgemeiner Teil, Heidelberg 2007 (Rn 214–230)
Quellen & Einzelnachweise
- Das angeführte Beispiel beruht auf dem Schweizer Strafrecht, aber das Grundproblem besteht unabhängig von länderspezifischen Details.
- Artikel in 20-Minuten Online vom 19. März 2009.
- http://de.wikipedia.org/wiki/Eventualvorsatz 08.11.2014
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