Im österreichischen Recht ist der Begriff „Billigkeitsrecht“ nicht als fester Begriff verankert, wie er manchmal im deutschen Recht diskutiert wird. Dennoch spielt der Aspekt der Billigkeit, also der fairnessbasierten Abwägung, in der österreichischen Rechtsordnung eine bedeutende Rolle und kann in verschiedenen Rechtsbereichen gefunden werden.
Billigkeit versteht sich im Allgemeinen als ein Prinzip, das die gerechten und fairen Ergebnisse fördert, indem es die strikte Anwendung einer gesetzlichen Norm in bestimmten Fällen mildert. In der österreichischen Rechtsordnung spiegelt sich dies häufig in Form von Ermessen oder Beurteilungsspielräumen wider, die den entscheidenden Behörden oder Gerichten zugestanden werden, um angemessene Lösungen im Einzelfall zu finden.
Ein konkretes Beispiel findet sich im bürgerlichen Recht, etwa im Schadenersatzrecht. Nach § 1324 ABGB kann bei Ermittlung des Schadenersatzes auf die Billigkeit Rücksicht genommen werden, insbesondere wenn der genaue Schaden schwer zu bemessen ist. Hierbei obliegt es dem Gericht, den Ersatz nach Billigkeit festzusetzen und so einem gerechten und angemessenen Ergebnis zu entsprechen. Der Gerichtshof hat dabei die Möglichkeit, die konkreten Umstände des Falles, wie die Umstände des Schadensereignisses oder die persönliche Lage der Beteiligten, zu berücksichtigen.
Ein weiteres wichtiges Beispiel ist § 914 ABGB, der die Auslegung von Verträgen nach dem Willen der Parteien unter Beachtung der Übung des redlichen Verkehrs nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und somit nach den Regeln der Billigkeit verlangt. Diese Auslegungsregel trägt dazu bei, faire und ausgewogene Beziehungen zwischen Vertragsparteien zu gewährleisten.
In vielen Verwaltungsverfahren wird ebenfalls auf die Billigkeit Bezug genommen, indem den Behörden ein gewisses Ermessen eingeräumt wird, um gerechte Entscheidungen zu treffen, die sich an den Besonderheiten des Einzelfalls orientieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Billigkeit als Prinzip sowohl in der Rechtsprechung als auch in den gesetzlichen Regelungen eine Rolle spielt und in Bereichen wie dem Vertragsrecht, Schadenersatzrecht und Verwaltungsrecht in Österreich angewendet wird, um faire und gerechte Rechtsfolgen zu fördern. Es ermöglicht es Gerichten und Behörden, starre Normen flexibel und situationsangepasst anzuwenden.