Im österreichischen Strafrecht ist der Begriff „dringender Tatverdacht“ ein wesentlicher Bestandteil der Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungshaft. Er ist in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt, insbesondere in § 173 StPO, der die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft beschreibt. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verdächtige eine strafbare Handlung begangen hat. Es geht also um eine Verdachtslage, die über einen allgemeinen oder bloßen Anfangsverdacht hinausgeht und durch konkrete Hinweise gestützt wird.
Der dringende Tatverdacht bildet die Grundlage für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen eine Person. In der Praxis bedeutet dies, dass nicht nur Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen müssen, sondern dass diese Anhaltspunkte qualitativ und quantitativ so beschaffen sind, dass sie die Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit der Täterschaft rechtfertigen. Dabei bestehen bestimmte Anforderungen an die Beweismittel und deren Würdigung, sodass der dringende Tatverdacht einer gewissen gerichtlichen Überprüfung standhalten muss.
Zusätzlich zum dringenden Tatverdacht müssen für die Anordnung der Untersuchungshaft weitere Voraussetzungen erfüllt sein, wie etwa ein Haftgrund (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Tatbegehungsgefahr) und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Der Begriff selbst dient also dazu, den rechtlichen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen die Freiheit einer Person vorläufig eingeschränkt werden darf, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens zu gewährleisten.
Durch diese genaue Regulierung wird sichergestellt, dass Untersuchungshaft nicht willkürlich verhängt wird, sondern immer auf einer soliden, rechtlichen Grundlage basiert, die dem Schutz der persönlichen Freiheit dient. Die Anforderungen an den dringenden Tatverdacht stellen somit einen wichtigen Schutzmechanismus im österreichischen Rechtssystem dar, um ein Gleichgewicht zwischen effektiver Strafverfolgung und Schutz der Grundrechte des Einzelnen zu gewährleisten.