Im österreichischen Recht ist die Durchgriffshaftung ein Konzept, das vor allem im Gesellschaftsrecht relevant ist, auch wenn es nicht explizit im Gesetz verankert ist. Es handelt sich um ein rechtliches Instrument, das in bestimmten Fällen eingesetzt wird, um die Haftungsbeschränkung von Gesellschaften, insbesondere von Kapitalgesellschaften, zu durchbrechen, und damit die Gesellschafter oder dahinterstehenden Personen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich haftbar zu machen. Dieses Prinzip wird in der österreichischen Rechtsordnung nur restriktiv angewandt und erfordert das Vorliegen besonderer Umstände.
Ein typischer Fall, in dem die Durchgriffshaftung relevant wird, ist der Missbrauch der juristischen Person. Hierbei geht es darum, dass das Trennen der rechtlichen Persönlichkeit zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern nicht aufrechtzuerhalten ist, weil die Gesellschaft z.B. nur als Fassade oder Scheingesellschaft fungiert, um unlautere oder schädigende Zwecke zu verfolgen. Weitere denkbare Szenarien sind das vorsätzliche Ausplündern eines Unternehmens oder das systematische Unterschreiten der Kapitalausstattung, das sog. „Unterkapitalisierung“, die eine Gefährdung der Gläubigerinteressen mit sich bringt.
Das österreichische Gesetz bietet in der Praxis Mittel, um die Rechte von Gläubigern unter solchen Umständen zu schützen. § 25 des Aktiengesetzes (AktG) behandelt zwar grundsätzlich die Haftungsbeschränkungen von Aktionären, jedoch gibt es im Gesetz und in der Rechtsprechung die Auffassung, dass unter bestimmten missbräuchlichen Bedingungen die Haftungsbeschränkung durchbrochen werden kann. Ähnliches gilt auf analoger Basis für andere Kapitalgesellschaften, wie beispielsweise die GmbH durch das GmbH-Gesetz.
Da die Durchgriffshaftung ein außergewöhnlicher Eingriff in das Prinzip der beschränkten Haftung darstellt, müssen gewichtige Gründe gegeben sein, um sie zu rechtfertigen. Sie wird daher im österreichischen Recht nur ausnahmsweise angewendet, in Fällen, in denen eine gerechtfertigte Interessenabwägung dies erfordert, um etwaigen Missbräuchen des Konstrukts der juristischen Person entgegenzuwirken.
Im Wesentlichen dient die Durchgriffshaftung in Österreich dem Schutz der Gläubigerrechte, stellt jedoch einen starken Eingriff in die Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts dar und wird dementsprechend mit großer Zurückhaltung angewandt.