Der Ausdruck „Facta sunt potentiori verbis“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt „Taten sind mächtiger als Worte“. Im österreichischen Recht bezieht sich dieser Grundsatz auf die Priorität von tatsächlichem Verhalten oder faktischen Umständen gegenüber schriftlichen oder mündlichen Abreden oder Erklärungen. Dies kann insbesondere in zivilrechtlichen Angelegenheiten von Bedeutung sein, etwa im Vertragsrecht.
Ein konkretes Beispiel, wo dieser Grundsatz Anwendung findet, ist das Verhalten der Vertragsparteien im Sinne des § 914 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch). Dieser Paragraph befasst sich mit der Auslegung von Verträgen und besagt, dass bei der Auslegung nicht nur der Wortlaut, sondern auch die Absicht der Parteien und die Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde, zu berücksichtigen sind. Wenn das Verhalten der Vertragsparteien nach Abschluss eines Vertrags Aufschluss darüber gibt, wie dieser zu verstehen ist, kann dieses Verhalten relevanter sein als die bloße sprachliche Formulierung des Vertrags.
Angenommen, zwei Parteien schließen einen Vertrag, in dem sie eine bestimmte Leistung vereinbaren, jedoch zeigt sich im nachträglichen Umgang und Verhalten der Parteien, dass sie die Leistungsinhalte faktisch anders gehandhabt haben als ursprünglich beschrieben. In solchen Fällen kann das tatsächliche Verhalten der Parteien helfen, die wahren vertraglichen Verpflichtungen besser zu verstehen und zu klären, auch wenn der formale Wortlaut des Vertrages etwas anderes nahelegt.
Dieser Grundsatz unterstützt die Rechtsfindung, indem er betont, dass das tatsächliche Handeln der Beteiligten oft eine zuverlässigere Grundlage bietet als nur die analyse von schriftlichen Erklärungen. Dadurch wird sichergestellt, dass die rechtlichen Folgen an der wirtschaftlichen Realität orientiert sind und damit möglicherweise Missverständnisse oder Unklarheiten in der Vertragsinterpretation reduziert werden.