Im österreichischen Recht ist der Begriff „Favor negotii“ nicht ausdrücklich kodifiziert, wird jedoch in der rechtswissenschaftlichen Literatur verwendet, um eine bestimmte rechtliche Haltung zu beschreiben. Favor negotii bedeutet wörtlich „Begünstigung des Geschäfts“ und beschreibt eine Auslegungsregel, die darauf abzielt, Rechtsgeschäfte im Zweifelsfall so auszulegen, dass sie aufrechterhalten und nicht für ungültig erklärt werden. Diese Haltung kann insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn es um die Auslegung und Wirksamkeit von Verträgen geht.
Im österreichischen Vertragsrecht sind unter anderem die allgemeinen Auslegungsregeln im ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) relevant. So normiert § 914 ABGB die Auslegung nach dem Willen und Zweck der Parteien: Verträge sind so auszulegen, dass alle Zweifel nach dem für Verträge üblichen Gebrauch gelöst werden. Wenn keine solche Lösung gefunden wird, ist im Zweifel derjenige Sinn zu beachten, der die Verpflichtung am wenigsten belastend macht. Dieses Prinzip fördert die Aufrechterhaltung von Verträgen, indem es darauf abzielt, eine für alle Parteien zweckmäßige und erfüllbare Lösung zu finden.
Des Weiteren besagt § 915 ABGB, dass im Zweifel eine für den Verpflichteten günstigere Auslegung zugrunde gelegt wird, sofern der Vertrag mehrdeutig ist. Dieser Grundsatz ergänzt den Favor negotii, indem er die Erhaltung des Rechtsgeschäfts unterstützt, indem es die Interpretation zugunsten der Wirksamkeit und Durchführbarkeit des Geschäfts lenkt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Prinzipien, die in „Favor negotii“ zum Ausdruck kommen, im österreichischen Recht insbesondere durch die allgemeinen Auslegungsgrundsätze im ABGB unterstützt werden. Der Fokus liegt darauf, Rechtsgeschäfte so zu interpretieren, dass sie wirksam bleiben und den Willen der Vertragsparteien so weit wie möglich verwirklichen.