Im österreichischen Recht bezeichnet die „formelle Rechtskraft“ jenen Zustand, in dem eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar ist. Sie bedeutet, dass ein Urteil oder Beschluss endgültig ist, weil entweder alle vorgesehenen Fristen für ordentliche Rechtsmittel verstrichen sind oder diese ausgeschöpft wurden. Einmal erreicht, kann die Entscheidung nicht mehr in einem neuen Verfahrensgang einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden, was ihre Bestandskraft verstärkt.
Formelle Rechtskraft unterscheidet sich von der materiellen Rechtskraft, welche die Unveränderlichkeit des Inhalts einer Entscheidung und deren Verbindlichkeit für die Parteien bedeutet. Die formelle Rechtskraft bewirkt primär Verfahrenssicherheit und schützt das Urteil vor weiteren prozessualen Angriffen. Sie tritt somit im Zivilprozess, im Strafprozess sowie im Verwaltungsverfahren auf, wobei die spezifischen Regelungen je nach Verfahrensart variieren.
Im Zivilprozess sind die maßgeblichen Normen etwa in der Zivilprozessordnung (ZPO) zu finden. Die Anfechtbarkeit ist hier insbesondere durch die Bestimmungen zu ordentlichen Rechtsmitteln wie Berufung (§ 461 ZPO) oder Revision (§ 502 ZPO) geregelt. Werden beispielsweise die im § 464 ZPO festgelegten Fristen zur Einbringung einer Berufung versäumt, wird das Urteil formell rechtskräftig.
Im Verwaltungsverfahren gibt es analoge Bestimmungen in den verschiedenen Verwaltungsgesetzen. Sobald eine Entscheidung eines Verwaltungsorgans oder ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts in der letzten Instanz getroffen wurde und keine ordentlichen Rechtsmittel mehr offen stehen oder diese abgelehnt wurden, tritt Formelle Rechtskraft ein. Dies findet sich etwa in den Regelungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG).
Es ist wichtig zu beachten, dass die formelle Rechtskraft keine absolute Unangreifbarkeit garantiert, da unter bestimmten Bedingungen außerordentliche Rechtsmittel zulässig sind. Dazu gehören beispielsweise der Wiederaufnahmeantrag oder die Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch strenge Voraussetzungen aufweisen und nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.
Zusammenfassend sichert die formelle Rechtskraft die Stabilität und Verlässlichkeit gerichtlicher und behördlicher Entscheidungen, indem sie eine endgültige Klärung herbeiführt und so die Fortdauer von Rechtsunsicherheiten verhindert.