Im österreichischen Recht bezieht sich der Begriff „Freie Beweiswürdigung“ auf das Prinzip, dass das Gericht in einem Gerichtsverfahren die Beweise nach seiner eigenen Überzeugung frei und ohne Bindung an formale Beweisregeln würdigt. Dieses Prinzip ist zentral für das österreichische Zivilprozessrecht und das Strafprozessrecht und ermöglicht es dem Richter, eine Entscheidung basierend auf der gesamten Beweisaufnahme und der persönlichen Überzeugung zu treffen.
Im Zivilprozessrecht ist die freie Beweiswürdigung in der Zivilprozessordnung (ZPO) verankert. Gemäß § 272 ZPO ist das Gericht nicht an gesetzliche Beweisregeln gebunden, sondern es hat die vorgelegten Beweise nach freier Überzeugung zu würdigen. Dies bedeutet, dass der Richter alle Arten von Beweisen, wie Zeugenaussagen, Urkunden, Augenschein oder Sachverständigengutachten, heranziehen kann, um sich ein Bild über die Tatsachenlage zu machen und darauf aufbauend zu entscheiden.
Ähnlich ist die Regelung im Strafprozessrecht, wo die freie Beweiswürdigung in der Strafprozessordnung (StPO) verankert ist. Gemäß § 14 StPO hat das Gericht die Wahrheitspflicht und wird durch die freie Beweiswürdigung bei der Wahrheitsfindung unterstützt, indem es nach eigenem sachlichen Ermessen alle Beweise bewertet, die ihm zur Verfügung stehen. Es sollen alle Umstände berücksichtigt werden, die für den oder gegen den Angeklagten sprechen können, so dass letztendlich ein gerechtes Urteil gefällt werden kann.
Das Prinzip der freien Beweiswürdigung stellt sicher, dass kein starrer Formalismus die gerichtliche Entscheidung beschränkt und erlaubt es dem Gericht, auf die spezifischen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Damit verbunden ist jedoch die Verpflichtung des Richters, seine Entscheidung ausreichend zu begründen, um die Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung zu gewährleisten und die Akzeptanz der Entscheidung zu fördern. Trotz dieser Freiheit unterliegt die Entscheidung der Überprüfung durch höhere Instanzen, insbesondere im Hinblick auf Willkürfreiheit und Plausibilität.