Der Grundsatz „Jura novit curia“ bedeutet im österreichischen Recht, dass das Gericht das Recht kennt und somit von Amts wegen rechtliche Normen zu berücksichtigen hat, ohne dass die Parteien diese im Verfahren anführen oder beweisen müssen. Das bedeutet, dass es nicht nur die Aufgabe des Gerichts ist, den zugrunde liegenden Sachverhalt zu klären, sondern auch, die richtige Rechtsnorm darauf anzuwenden. Dies stellt einen wesentlichen Bestandteil des österreichischen Zivil- und Strafverfahrensrechts dar.
Im Zivilprozessrecht ist dieser Grundsatz im § 226 der Zivilprozessordnung (ZPO) verankert, der besagt, dass das Gericht den Sachverhalt frei zu erforschen hat und gesetzlich verpflichtet ist, die zutreffenden Rechtsvorschriften anzuwenden. In einem Zivilverfahren sind daher die Parteien in erster Linie dafür verantwortlich, den Sachverhalt darzustellen und zu beweisen. Der rechtliche Rahmen wird hingegen vom Gericht unabhängig geprüft. Dies bringt den Vorteil, dass ein Beteiligter kein juristisches Fachwissen besitzen muss, um im Sinne des Rechts Gehör zu finden.
Auch im Strafrecht spielt dieser Grundsatz eine wesentliche Rolle. Gemäß § 3 StPO (Strafprozessordnung) hat das Gericht dieselbe Pflicht, die relevanten rechtlichen Bestimmungen von Amts wegen anzuwenden, ohne dass Staatsanwaltschaft oder Verteidigung darauf hinweisen müssen. Das Gericht ist somit dafür verantwortlich, den strafrechtlichen Sachverhalt mit den einschlägigen strafrechtlichen Normen in Übereinstimmung zu bringen und nach dem geltenden Recht darüber zu entscheiden.
Zudem hat der Grundsatz „Jura novit curia“ eine Verbindung zum Prinzip der Rechtssicherheit, da die Beteiligten darauf vertrauen können, dass das Gericht das Recht korrekt anwendet. Dieser Grundsatz trägt zudem dazu bei, das Verfahren effizienter zu gestalten, da die Parteien sich primär auf die Darstellung des Sachverhalts konzentrieren können, während die rechtliche Beurteilung bei der Gerichtsbarkeit liegt. Dies zeigt auch die Balance zwischen den pflichtgemäßen Aufgaben der Gerichtsbarkeit und den Rechten und Pflichten der Parteien in einem Rechtssystem, das bestrebt ist, sowohl Gerechtigkeit als auch Effizienz zu gewährleisten.