Eine lex specialis ist ein spezielles Gesetz, das dem allgemeinen Gesetz (lex generalis) vorgeht. Dieses besondere Gesetz verdrängt das allgemeine Gesetz (lateinisch lex specialis derogat legi generali). Die Spezialität des Gesetzes kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass es nur einen bestimmten Sachbereich regelt, während die allgemeine Norm für mehrere Bereiche gilt.
Der Grundsatz lex specialis derogat legi generali stellt eine juristische Auslegungsregel dar und gründet sich auf die Vermutung, dass der Gesetzgeber keinen Rechtssatz schaffen wollte, der über keinen praktischen Anwendungsbereich verfügt. Letzteres wäre aber der Fall, wenn anstatt des besonderen Rechtssatzes der allgemeine angewandt würde, weil der besondere Rechtssatz dadurch seines praktischen Anwendungsbereiches beraubt wäre. Dieser Gedanke stellt zugleich klar, dass ein Gesetz nur dann das „spezielle“ Gesetz im Sinne des lex specialis derogat legi generali-Grundsatzes ist, wenn sein Tatbestand über alle Merkmale der allgemeinen Norm verfügt und diese demgegenüber noch mindestens ein weiteres Merkmal enthält.
Kein Anwendungsfall für den lex specialis-Grundsatz (obwohl insoweit häufig, aber eben fälschlich gleichwohl genannt) liegt hingegen dort vor, wo sich zwei Rechtssätze wie zwei Mengen mit einer Schnittmenge verhalten – in dieser Situation kann die lex specialis-Regel nichts zur Auflösung des Normenkonflikts beitragen.
Siehe auch
- Relationsnorm
- Latein im Recht
Einzelnachweise
- Franz Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 465; Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 267.
- Reinhold Zippelius, Juristische Methodenlehre, 7. Aufl. 1999, S. 39.