Mutterschutz ist die Summe gesetzlicher Vorschriften zum Schutz von Mutter und Kind vor und nach der Entbindung. Dazu gehören Beschäftigungsverbote vor und nach der Geburt, ein besonderer Kündigungsschutz für Mütter sowie Entgeltersatzleistungen während des Beschäftigungsverbotes (Mutterschaftsgeld) und darüber hinaus (Elterngeld).
Übereinkommen Nr. 183 der IAO über den Mutterschutz
Das Übereinkommen Nr. 183 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), in Kraft getreten 2002 gibt den Vertragsstaaten Mindeststandards des Mutterschutzes vor. Es ersetzt das Übereinkommen Nr. 103 über den Mutterschutz von 1952.
Das Übereinkommen gewährt allen unselbstständig beschäftigten Frauen, einschließlich denjenigen, die in atypischen Formen abhängiger Arbeit tätig sind, einen Mutterschutz von mindestens 14 Wochen. Des Weiteren enthält das Übereinkommen Nr. 183 Normen zum Gesundheitsschutz, zum Urlaub im Falle von Krankheit oder Komplikationen, zu Geld- und medizinischen Leistungen, zum Beschäftigungsschutz und zur Nichtdiskriminierung sowie zum Schutz stillender Mütter. Es führt durch einen Verweis auf die innerstaatliche Gesetzgebung und Praxis eine verstärkte Flexibilität ein, mit dem Ziel, eine größere Anzahl von Ratifikationen zu erreichen.
Gemäß Artikel 2 des Übereinkommens gilt es für alle unselbstständig beschäftigten Frauen. Artikel 3 verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie, nach Anhörung der repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass schwangere oder stillende Frauen nicht gezwungen sind, Arbeiten zu verrichten, die für die Gesundheit der Mutter oder des Kindes schädlich sind oder eine erhebliche Gefahr für deren Gesundheit darstellen. Artikel 4 schreibt vor, dass jede Frau, auf die das Übereinkommen Anwendung findet, Anspruch auf einen mindestens vierzehnwöchigen Mutterschaftsurlaub hat. Dazu gehört ein sechswöchiger obligatorischer Urlaub nach der Entbindung, soweit auf innerstaatlicher Ebene von der Regierung und den repräsentativen Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nichts anderes vereinbart wird. Gemäß Artikel 5 muss im Falle von Krankheit, Komplikationen oder der Gefahr von Komplikationen als Folge der Schwangerschaft oder der Entbindung ein Urlaub gewährt werden.
Artikel 6 regelt die Gewährung von Geld- oder Sachleistungen während des Urlaubs. Diese müssen den Unterhalt der Frau und des Kindes in einwandfreien gesundheitlichen Verhältnissen und bei angemessener Lebenshaltung gewährleisten. Frauen, welche die Anspruchsvoraussetzungen für Geldleistungen nicht erfüllen, müssen Leistungen aus der staatlichen Sozialhilfe erhalten. Zudem haben Mutter und Kind Anspruch auf ärztliche Leistungen, einschließlich Betreuung vor, während und nach der Entbindung und erforderlichenfalls Krankenhauspflege. Die Kosten dieser Leistungen dürfen grundsätzlich nicht dem Arbeitgeber auferlegt werden. Artikel 7 führt eine Flexibilitätsklausel zu Gunsten von Ländern ein, deren Wirtschaft und System der sozialen Sicherheit unzureichend entwickelt sind.
Artikel 8 des Übereinkommens ist auf einen genügenden Beschäftigungsschutz gerichtet. Danach darf das Arbeitsverhältnis einer Frau während ihrer Schwangerschaft, des Mutterschaftsurlaubs oder während des Urlaubs im Fall einer Krankheit oder von Komplikationen sowie während eines durch die innerstaatliche Gesetzgebung vorzuschreibenden Zeitraums nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht gekündigt werden. Ausnahmen können nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden, dass Gründe vorliegen, die mit der Schwangerschaft, der Geburt oder dem Stillen nicht zusammenhängen. Artikel 9 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Mutterschaft keinen Grund für eine Diskriminierung in der Beschäftigung darstellt. Artikel 10 garantiert der Frau das Recht auf eine oder mehrere tägliche Pausen oder auf eine tägliche Verkürzung der Arbeitszeit zum Stillen ihres Kindes. Diese Stillpausen sind als Arbeitszeit anzurechnen und entsprechend zu bezahlen.
Im November 2011 hatten 18 Staaten das Übereinkommen ratifiziert, darunter 12 Staaten der Europäischen Union: Bulgarien, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ungarn und Zypern. In der Schweiz stimmte der Nationalrat im September 2012 als erste der beiden Parlamentskammern der Ratifizierung zu.
Deutschland, Österreich und die Schweiz haben außerdem die UN-Frauenkonvention ratifiziert.
Europäisches Recht
Die „Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie) über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz“ betrifft auch den Mutterschaftsurlaub und die Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die Gesetzgebung zur Gleichbehandlung in Arbeits- und Beschäftigungsfragen schützt zusätzlich vor Diskriminierung aufgrund von Schwangerschaft.
Artikel 2 (7) der revidierten europäischen Gleichbehandlungs-Richtlinie (Richtlinie 2002/73/EG) vom 23. September 2002 bekräftigt den Schutz von Frauen im Mutterschutz:
- Frauen im Mutterschaftsurlaub haben nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs Anspruch darauf, an ihren früheren Arbeitsplatz oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedingungen, die für sie nicht weniger günstig sind, zurückzukehren, und darauf, dass ihnen auch alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugute kommen.
Am 3. Oktober 2008 schlug die Europäische Kommission eine Änderung der Richtlinie 92/85/EWG vor, die unter anderem eine Verlängerung des Mutterschutzurlaubes von 14 auf 18 Wochen vorsah. Einige Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, wehrten sich gegen eine Verlängerung des Mutterschutzurlaubes und warnten vor finanzielle Belastungen der Arbeitgeber und daraus resultierend vor Nachteilen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Dessen ungeachtet sprach sich das Europäische Parlament am 20. Oktober 2010 sogar für eine Verlängerung auf 20 Wochen aus.
Auch die EU-Grundrechtecharta gewährleistet in Artikel 33 Absatz 2 den Mutterschutz, und die Europäische Sozialcharta gewährleistet es in Artikel 8.
Nationale Regelungen in Österreich
Auch in Österreich wurde mit Beginn der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Schutz von Arbeiterinnen sowohl in der Arbeiterklasse als auch in der bürgerlichen Frauenbewegung Gegenstand unterschiedlicher politischer Forderungen.
In Österreich ist als Rechtsgrundlage seit 1979 das Mutterschutzgesetz maßgeblich. Das MSchG regelt den besonderen Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen vor schädlichen Beschäftigungen, das individuelle und das generelle Beschäftigungsverbot, den besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz sowie den Anspruch auf Karenz (Elternurlaub) bis zum 2. Geburtstag des Kindes und auf Elternteilzeit bis zum 7. Geburtstag und den damit verbundenen abgestuften Kündigungs- und Entlassungsschutz. Die Regeln wurden 2011/2012 verschärft.
Informationspflicht, besonderer Kündigungsschutz
Der Dienstgeber soll von der Schwangerschaft informiert werden, da mit seiner Kenntnis der besondere Kündigungsschutz für Schwangere (§ 4 MSchG) wirksam wird; dies ist jedoch nach der herrschenden Lehre eine bloße Obliegenheit der Schwangeren, deren Außerachtlassen lediglich bewirkt, dass der besondere Kündigungsschutz (noch) nicht wirksam wird und dass der Arbeitgeber (noch) nicht auf den besonderen Arbeitnehmerschutz verpflichtet werden kann. Die Information von der Schwangerschaft kann sogar im Falle einer Kündigung bis zu fünf Arbeitstage nachträglich erfolgen, womit eine bereits ausgesprochene Kündigung unwirksam wird (§ 10 MSchG). Werdende Mütter unterliegen dem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz: während der Schwangerschaft und bis 4 Monate nach der Geburt bedürfen Dienstgeberkündigungen sowie Entlassungen aus wichtigen Gründen zur Rechtswirksamkeit der ausdrücklichen Zustimmung des zuständigen Arbeits- und Sozialgerichts. Das Gericht hat bei seiner Zustimmung zu einer Entlassung aus wichtigem Grund den besonderen Gemütszustand der Schwangeren zu beachten (§ 12 Abs. 3 MSchG). Nimmt die Mutter nach der Geburt des Kindes Karenz (Elternurlaub) oder Elternteilzeit in Anspruch, wirkt der Kündigungs- und Entlassungschutz weiter bis zum Ablauf von vier Wochen nach deren Ende. Allerdings tritt ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes eine Lockerung in der Hinsicht ein, dass der Arbeitgeber betriebliche Erfordernisse als Kündigungsgrund heranziehen kann (§ 10 Abs. 4 MSchG).
Besonderer Arbeitnehmerinnenschutz für Schwangere
Jeder Arbeitgeber hat laut ASchG eine Evaluierung nach dem Mutterschutzgesetz zu erstellen, in der der jeweilige Arbeitsplatz auf mögliche Gefahren für die Schwangere und/oder deren Leibesfrucht zu beurteilen ist (§ 2a MSchG). Die Evaluierung hat besonders jene Arbeitsplätze auszuweisen, an denen Arbeiten zu verrichten sind, mit denen Schwangere keinesfalls befasst werden dürfen (§ 4 MSchG – dies betrifft z. B. Arbeiten mit gesteigertem Arbeitstempo, Arbeiten unter Einwirkung von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Arbeiten auf Beförderungsmitteln). Schwangere sind sofort nach Bekanntgabe der Schwangerschaft an anderen, nicht gefährdenden Arbeitsplätzen einzusetzen. Die Versetzung darf nicht zu einer Schmälerung des Entgelts führen (§ 14 Abs. 3 MSchG). Für Schwangere gilt ein absolutes Verbot der Nachtarbeit von 20 Uhr bis 6 Uhr, von dem lediglich in bestimmten Fällen behördlich zu bewilligende Ausnahmen bis 22 Uhr in der Gastronomie und bis 23 Uhr in Kinos und Theatern (§ 6 MSchG) bestehen. Weitere Verbote gelten für Sonn- und Feiertagsarbeit (§ 7 MSchG) und für die Leistung von Überstunden (§ 8 MSchG). Die Überwachungsbehörde für den besonderen Arbeitnehmerinnenschutz ist das Arbeitsinspektorat.
Beschäftigungsverbot
Für Schwangere gilt in den letzten acht Wochen vor der Entbindung das absolute Beschäftigungsverbot (§ 3 Abs. 1 MSchG). Arbeitgeber, die Schwangere trotz des absoluten Beschäftigungverbots weiter arbeiten lassen, riskieren eine Verwaltungsstrafe von bis zu € 3.630,- (§ 37 Abs. 1 MSchG). Der Beginn des absoluten Beschäftigungsverbots ist aufgrund einer ärztlichen Bestätigung über den voraussichtlichen Entbindungstermin zu berechnen (§ 3 Abs. 2 MSchG). Erfolgt die Entbindung früher oder später, verlängert oder verkürzt sich diese Frist entsprechend (§ 3 Abs. 2 MSchG). Nach der Entbindung gilt das absolute Beschäftigungsverbot für acht Wochen und verlängert sich bei Kaiserschnitt-, Früh- und Mehrlingsgeburten auf 12 Wochen nach der Entbindung; erfolgt die Entbindung vor dem errechneten Termin, verlängert sich diese Frist entsprechend, höchstens jedoch auf 16 Wochen (§ 5 Abs. 1 MSchG). Diese so genannte „Schutzfrist“ entspricht dem „Mutterschaftsurlaub“ der MutterschutzRL der EU. Wenn bestimmte medizinische Umstände vorliegen, die die Gesundheit der Mutter oder der Leibesfrucht bedrohen, und dies auch vom Amtsarzt oder vom medizinischen Dienst des Arbeitsinspektorats attestiert ist, kann bereits vor Beginn des absoluten Beschäftigungsverbots ein individuelles Beschäftigungsverbot eintreten (§ 3 Abs. 3 MSchG). Einen besonderen Anspruch auf Freistellung von der Beschäftigung haben schwangere Arbeitnehmerinnen in Gastronomiebetrieben, in denen sie der Einwirkung von Tabakrauch ausgesetzt sind (§ 13a Abs. 5 Tabakgesetz).
Entgelt während des Beschäftigungsverbots
Dienstnehmerinnen bekommen während des individuellen und des absoluten Beschäftigungsverbots vom zuständigen Sozialversicherungsträger das Wochengeld. Dieses entspricht dem durchschnittlichen Nettoverdienst der letzten 13 Wochen (§ 162 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz). Falls im Falle einer Erkrankung oder Kurzarbeit in dieser Zeit ein geringeres Entgelt bezahlt wurde, verlängert sich der Zeitraum von 13 Wochen um ebendiese Zeiten.
Quellen & Einzelnachweise
http://de.wikipedia.org/wiki/Mutterschutz#.C3.96sterreich 25.11.2018
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