Im österreichischen Strafrecht bezieht sich der Tatbestandsirrtum auf eine Situation, in der eine Person bei der Begehung einer Tat einen Irrtum über tatsächliche Umstände hat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen. Diese Regelung findet sich in § 5 des österreichischen Strafgesetzbuches (StGB).
Gemäß § 5 Abs. 1 StGB handelt ein Täter ohne Vorsatz, wenn er über einen Umstand irrt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Das bedeutet, dass der Täter nicht wissen muss, dass sein Verhalten den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Ein solcher Irrtum kann das Bewusstsein über die tatsächlichen Voraussetzungen des Straftatbestandes betreffen, etwa wenn jemand glaubt, dass eine Sache ihm gehört und er daher denkt, dass er sie nicht stehlen kann.
Ein Tatbestandsirrtum schließt den Vorsatz aus, der im Bereich des Strafrechts eine grundlegende Voraussetzung für die Strafbarkeit darstellt. Der Vorsatz ist nämlich definiert als Wissen und Wollen der Verwirklichung eines Straftatbestandes. Wenn der Irrtum den Vorsatz ausschließt, kann der Täter nur dann bestraft werden, wenn demnach eine Fahrlässigkeitshaftung in Betracht kommt und das Gesetz diese vorsieht.
Ein einfaches Beispiel könnte der folgende Fall sein: Eine Person nimmt irrtümlich an, dass ein Fahrrad, das vor einem Geschäft steht, ihr eigenes ist und fährt damit weg. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass das Fahrrad tatsächlich einer anderen Person gehört, so liegt ein Tatbestandsirrtum vor, da der Täter über den Sachverhalt des rechtmäßigen Besitzes geirrt hat. In einem solchen Fall könnte der Vorsatz für die Begehung eines Diebstahls fehlen.
Zu beachten ist weiterhin, dass der Tatbestandsirrtum nicht mit dem Verbotsirrtum verwechselt werden sollte. Beim Verbotsirrtum irrt der Täter über die Rechtswidrigkeit seines Handelns, also über die rechtliche Bewertung, nicht über die tatsächlichen Umstände. Der Tatbestandsirrtum hingegen bezieht sich ausschließlich auf die Irrtümer über die Tatsachen, die den Tatbestand eines Delikts ausmachen.
Insgesamt ist der Tatbestandsirrtum ein bedeutendes Konzept im österreichischen Strafrecht, da es die Grenzen zwischen vorsätzlichem und möglicherweise fahrlässigem Handeln klärt und somit auch über die Strafbarkeit entscheidet.