Im österreichischen Recht wird der Begriff „überstaatliches Recht“ häufig im Zusammenhang mit den Regelungen der Europäischen Union (EU) verwendet. Überstaatliches Recht bezieht sich auf rechtliche Normen und Vorschriften, die über den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten stehen und diese binden. In Österreich ist überstaatliches Recht vor allem im Kontext des EU-Rechts von Bedeutung. Dies inkludiert insbesondere:
1. **Primärrecht der EU**: Dazu gehören die Gründungsverträge der EU wie der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Diese Verträge bilden die Basis des gesamten EU-Rechtsrahmens und stehen über den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten.
2. **Sekundärrecht der EU**: Dieses umfasst Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse, die von den EU-Institutionen erlassen werden. Verordnungen gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat und haben Vorrang vor nationalem Recht. Richtlinien hingegen müssen von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Sie legen ein Ziel fest, das innerhalb einer bestimmten Frist erreicht werden muss, lassen den Mitgliedstaaten jedoch die Wahl der Mittel.
3. **Vorrang des EU-Rechts**: Ein grundlegendes Prinzip des EU-Rechts ist der Vorrang vor nationalem Recht. Dies bedeutet, dass im Fall eines Konflikts zwischen EU-Recht und nationalem Recht das EU-Recht Anwendung findet. Dies hat zur Folge, dass nationale Gerichte das EU-Recht beachten und es gegebenenfalls dem nationalen Recht vorziehen müssen.
4. **Direkte Anwendbarkeit**: Bestimmte EU-Rechtsakte sind unmittelbar anwendbar, was bedeutet, dass sie keine weiteren Umsetzungsschritte in nationales Recht erfordern, damit sie für Bürger und Unternehmen verbindlich sind.
Für Österreich hat der Beitritt zur EU im Jahr 1995 eine wesentliche Veränderung der Rechtsordnung mit sich gebracht. Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) wurde entsprechend angepasst, um der österreichischen Rechtspraxis die Aufnahme und Anwendung des EU-Rechts zu ermöglichen. Die **Art. 23a bis 23j B-VG** regeln die Zusammenarbeit Österreichs mit der EU und die Stellung des EU-Rechts im österreichischen Rechtssystem.
Zusammenfassend bedeutet überstaatliches Recht im österreichischen Kontext hauptsächlich die Verpflichtung zur Einhaltung der Normen und Vorschriften der Europäischen Union, die die nationale Gesetzgebung und Rechtsprechung überlagern können. Die rechtspraktische Umsetzung dieser überstaatlichen Regelungen bedarf einer genauen Beachtung durch alle staatlichen Organe, um sicherzustellen, dass sowohl nationale als auch EU-weite Ziele erreicht und harmonisiert werden.