Im österreichischen Recht bezieht sich der Unmittelbarkeitsgrundsatz auf das Strafprozessrecht und das Zivilprozessrecht, wobei der Grundsatz unterschiedliche Bedeutungen in den beiden Rechtsbereichen hat.
Im Strafprozessrecht ist der Unmittelbarkeitsgrundsatz ein wesentlicher Bestandteil der gerichtlichen Beweisaufnahme. Dieser Grundsatz besagt, dass das Gericht die Beweise grundsätzlich selbst und direkt erheben soll, um sich einen unvermittelten Eindruck von der Beweissituation zu verschaffen. Dieser Ansatz soll verhindern, dass das Gericht auf Grundlage von schriftlichen Berichten oder anderen Vermittlungen Dritter seine Entscheidungen trifft. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz ist im Wesentlichen darauf ausgelegt, die Qualität der richterlichen Entscheidungsfindung zu erhöhen, indem der Richter oder das Gericht die Möglichkeit hat, Zeugen persönlich zu befragen und sich anhand der persönlichen Eindrücke, etwa der Glaubwürdigkeit und dem Verhalten der Zeugen, ein vollständiges Bild von deren Aussagen zu machen. Für das Strafverfahren in Österreich ergibt sich dieser Grundsatz aus der Strafprozessordnung (StPO).
Im Zivilprozessrecht hat der Unmittelbarkeitsgrundsatz eine ähnliche, jedoch nicht identische Bedeutung. Auch hier zielt der Grundsatz darauf ab, dass das Gericht die Beweise direkt und nicht über mittelbare Quellen erheben soll. Dies fördert eine authentische und unmittelbare Beweisaufnahme. Der Grundsatz im Zivilprozess soll sicherstellen, dass die Parteien möglichst direkt vor dem entscheidenden Richter verhandeln und alle relevanten Gesichtspunkte unvermittelt zur Geltung gebracht werden können. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz ist somit auch eine Grundlage dafür, dass die Richter alle Beweise selbst prüfen und würdigen und nicht auf Berichte oder Protokolle Dritter angewiesen sind.
In beiden Bereichen fördert der Unmittelbarkeitsgrundsatz die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der gerichtlichen Entscheidung, da er darauf abzielt, dass das entscheidende Gericht alle wesentlichen Tatsachen direkt und aus erster Hand erfährt. Es ist eine wesentliche Voraussetzung für eine faire und gerechte Verfahrensführung im österreichischen Recht.