Im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes als Wahlprüfungsgericht steht auch seine Kompetenz betreffend den Verlust erworbener Mandate. Bundes- und Landesgesetze legen fest, unter welchen Voraussetzungen ein politischer Mandatar sein Mandat verliert oder es ihm aberkannt werden kann. Besteht darüber Streit, entscheidet darüber der Verfassungsgerichtshof, wenn es um die Funktion eines
- Mitgliedes des Nationalrates, des Bundesrates, eines Landtages oder eines Gemeinderates
- in Österreich gewählten Abgeordneten zum Europäischen Parlament
- Mandatars eines Kammerorgans, das innerhalb der Kammer eine einem Parlament vergleichbare Funktion hat
- Mitgliedes des Gemeindevorstandes (etwa Bürgermeister, Stadträte)
geht.
Ein solcher Mandatsverlust kann unmittelbar durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verfügt werden, und zwar dann, wenn ein allgemeiner Vertretungskörper, mindestens die Hälfte der Österreich entsandten Abgeordneten zum Europäischen Parlament oder ein satzungsgebendes Organ einer gesetzlich beruflichen Vertretung einen entsprechenden Antrag stellt und im Gesetz nicht die Vorschaltung eines Verwaltungsverfahrens vorgesehen ist. Überträgt jedoch das Gesetz (Geschäftsordnung, Wahlordnung) in diesen Fällen die Entscheidung über den Mandatsverlust einer Verwaltungsbehörde, so unterliegt der Bescheid, mit dem der Mandatsverlust ausgesprochen wird, der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes (mittelbares Mandatsverlustverfahren durch Bescheidanfechtung).
Während für die Einbringung eines Antrages auf Mandatsverlust keine Frist besteht, muss die Anfechtung eines den Mandatsverlust aussprechenden (letztinstanzlichen) Bescheides innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung erfolgen.
Hält der Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Mandatsverlust für begründet, so hat er den Betroffenen seines Mandates (mit sofortiger Wirkung) für verlustig zu erklären; andernfalls ist der Antrag ab-, allenfalls aus formalen Gründen zurückzuweisen. Im Fall der Anfechtung eines den Mandatsverlust aussprechenden Bescheides hat der Verfassungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid aufzuheben, wenn die vom Anfechtungswerber behauptete Rechtswidrigkeit erwiesen ist; andernfalls ist der Anfechtung nicht stattzugeben.
Auf Mandatsverlust kann auch auf Grund des § 10 Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz erkannt werden.
Rechtsgrundlagen: Art. 141 Abs. 1 lit. c bis d B-VG; §§ 71 und 71a VfGG